Im Licht der drei Monde (Die Monde-Saga 3)
Kapitel 1
Freud und Leid
18 Jahre später, im Dorf der Zut
»Nein, ich begleite dich auf keinen Fall!«, sprach Geirun und warf Nysra einen missbilligenden Blick zu. Obwohl sie den Kopf schüttelte, konnte sie den heimlichen Wunsch nicht verbergen, genau das Gegenteil von dem zu tun, was sie behauptete.
Nysra musste über das verzweifelte Gesicht der schwarzhaarigen Frau schmunzeln, sodass sich ihre verschorften Lippen kräuselten, weshalb erneut die Wunde aufbrach, die sie von ihrer letzten Züchtigung davongetragen hatte. Der vertraute Schmerz an dieser Stelle flammte erneut auf. Doch das scherte die Achtzehnjährige nicht. Schmerzen dieser Art waren alte Bekannte und das fröhliche Lachen der Menschen und die Musik, die vom Dorfplatz der Zut zu ihr ins Zelt hereinschallten, waren viel spannender und machten ihr gute Laune. Ja, die angenehmen Geräusche lenkten sie von den vielen Verletzungen ab. Diese Gelegenheit, endlich einmal Spaß zu haben, konnte sie sich doch nicht entgehen lassen.
In einer abrupten Drehbewegung, gegen die ihre Rippen schmerzhaft protestierten, deutete Nysra Geirun an mit ihr das Zelt zu verlassen und auf das Fest zu gehen. Aber die ließ empört ihre Handarbeit sinken.
»Willst du, dass er dich wieder grün und blau schlägt?«
Nysra hob zynisch die Augenbrauen und zeigte auf ihr blau unterlaufenes Auge und die geschwollene Wange.
Geirun kannte die Zweitfrau ihres Ehemannes gut genug, um zu wissen, was sie ihr damit sagen wollte. Sie schnaubte und erwiderte voller Bitterkeit: »Ja, ich weiß auch, dass er sowieso ständig die Hand gegen uns erhebt.« Bedrückt widmete sie sich wieder der Näharbeit an der Hose ihres gemeinsamen Ehemannes. »Dennoch will ich Hadd keinen zusätzlichen Grund liefern, weil ich seinen Befehl missachte. Er hat es zurzeit schwer genug. Nicht nur die anderen Stämme hassen ihn wie eine Eiterbeule. Nach seiner Rückkehr und Isleifs Tod lassen ihn sogar die eigenen Clanmitglieder spüren, wie sehr seine Intrigen den Ikol geschadet haben. Wegen ihm werden wir wahrscheinlich die nächsten Jahre vom Sonnenfest ausgeschlossen werden und du weißt, was das heißt. Keiner wird mit uns mehr Handeln betreiben wollen.« Gedankenverloren schüttelte Geirun den Kopf. »Über kurz oder lang werden die Ikol am Hungertuch nagen und da hilft es uns dann auch nicht, dass Hadd letztlich alle Stämme vor den Weißen gerettet hat.« Betrübt schaute sie wieder zu Nysra auf. »Es wird für uns niemals wieder so sein, wie es vor dem ganzen Schlamassel war. Alles wird sich verändern - und nicht zum Besseren. Sie werden uns noch schlimmer als die Ausgestoßenen behandeln, das sag ich dir.« Geiruns Schultern sackten herab, fortan schwieg sie und ignorierte Hadds jüngere Zweitfrau, die immer noch vor dem Zelteingang stand.
Sehr wahrscheinlich hatte Geirun recht, ganz bestimmt sogar, sagte sich Nysra. Doch gerade deswegen wollte sie mit den anderen den Frieden feiern, den sie gegen die Weißen errungen hatten. Sie hatte so wenig zu lachen gehabt in ihrem bisherigen Leben und das würde dem Anschein nach auch so bleiben. Warum sollte sie sich dann nicht ein paar Augenblicke des Glücks gönnen? Hatte sie nicht ebenso welche verdient wie alle anderen? Sie könnte doch kurz auf das Fest gehen. Geirun würde sie gewiss nicht verraten, das hatte sie noch nie getan. Trotz ihrer Worte war in dieser Beziehung auf ihre Leidensgenossin Verlass. Wenn sie es geschickt anstellte, würde niemand ihr Fehlen bemerken. Sie müsste lediglich aufpassen, dass sie nicht Hadd oder seiner Mutter, Asdis, in die Hände fiel. Seit dem Tod ihres Ehemannes hatte ihre Schwiegermutter zu deren Verdruss ebenfalls gänzlich das Ansehen bei den Ikol verloren, was sie Geirun und sie selbst jeden Tag aufs Neue spüren ließ. Denn neben den Schandtaten ihres einzigen Sohns, die die Ikol ihr ebenso übel nahmen, war Asdis nun nach dem Ableben ihres Gemahls auch keine Häuptlingsehefrau mehr. Bisher