IMMORTAL - DER UNSTERBLICHE
Prolog
Drei Kilometer südlich des Titicacasees, Bolivien
Der Schädel grinste.
Das tat er natürlich nicht wirklich, das war ihm schon klar, er glaubte nämlich nicht an die Legende der Einheimischen, dass es in den Ruinen bei Mondlicht spukte und sich dort alte Götter, wie einige sagten, oder neue Geister herumtrieben. Trotzdem förderte er gern die Legenden, denn sie hielten die Neugier der Einheimischen in Zaum. Was die Touristen anging - neben dem nahe gelegenen Titicacasee und der prähistorischen Stadt Tiwanaku, wo angeblich sogar Menschenopfer dargebracht wurden, interessierte sich niemand für den wenig beeindruckenden Schutthaufen, der einmal eine kleinere Siedlung aus der Prä-Inka-Zeit gewesen war.
Wie bei Tiwanaku lag ein großer Teil der Ruinen unterirdisch, die Tunnel und Höhlen im Untergrund bildeten ein perfektes Versteck, von dem aus der Pandillero - Gangster - seine tödlichen Geschäfte mit Drogen, Waffen und Antiquitäten abwickeln konnte; ein kleiner Teil eines Multi-Milliarden-Dollar-Imperiums. Glücklose Fremde, wie derjenige, dem einst der glänzende Schädel gehört hatte, die hier hereingestolpert kamen, wurden ohne Ausnahme Teil der wenig sehenswerten Sehenswürdigkeiten dieser Gegend.
Der Mann trat den Schädel zur Seite, als er weiterging. Er zerbarst an der altertümlichen Steinmauer und die Knochensplitter vermischten sich mit dem Holz und den Sägespänen alter Transportkisten.
Kein Verlust, wie er fand. Bald würde er ersetzt werden. Ein weiterer unglücklicher Abenteurer war in sein Verderben gewandert. Er drehte sich zu seinem allgegenwärtigen bewaffneten Leibwächter um. »Bist du dir sicher?«
»Auf jeden Fall, Jefe«, sagte sein Leibwächter. »Wir haben ihm die Haut aufgeschlitzt und ihn in den alten Tunnel geworfen, damit ihn die Ratten bei lebendigem Leib fressen, so wie immer. Ich hab da keinen zweiten Gedanken dran verschwendet. Aber ...« Er verstummte und zuckte mit den Schultern, weil er nicht wusste, was er sagen sollte. Dann schaltete er die starke Taschenlampe an, die er bei sich trug, und geleitete seinen Arbeitgeber die engen Treppen hinab.
Der Gestank verwesenden Fleisches und der Ausscheidungen von Maden stach den Männern in die Nase, sobald sie die schmale Treppe betraten. Selbst der abgehärtete Bodyguard, der mehrere Male die Woche die steinernen Innereien der Ruinen betrat, verzog die Nase. Der Pandillero hingegen zeigte keinerlei solche Schwäche. Er schritt resolut voran, bis sie vor einer neuen, aber dennoch schon verrottenden Tür standen. Der Leibwächter öffnete die Tür, dahinter wurde etwas sichtbar, das im ersten Moment wie ein Raum aussah. Es war jedoch ein weiterer langer Tunnel, den noch niemand in vollem Umfang erforscht hatte. In direkter Nähe sah man auch die offensichtliche Quelle des erbärmlichen Gestanks: Die Fleischmasse in der ungefähren Form eines Mannes, die sich, obwohl tot, bewegte, weil die Ratten, die sich in den Kadaver gefressen hatten, auf die plötzliche Helligkeit reagierten.
Der Bodyguard griff instinktiv nach seiner Waffe, als eine der Ratten aus dem Mund der Leiche sprang und auf die offene Tür zu rannte, aber sein Chef ersparte ihm den Aufwand und trat reflexartig auf die Kreatur. »Wer ist das?«, wollte er wissen und deutete auf das Rattenbankett vor ihm.
»Der Tombo, den wir erledigen sollten«, antwortete der Leibwächter und fügte mit einem kalten Lachen hinzu: »Keiner vermisst einen ehrlichen Cop. Als wir ihn vor drei Tagen hier abladen wollten, stießen wir auf diesen anderen Kerl ... der ist immer noch am Leben. Seine Wunden waren schon verheilt und ... und ... ich weiß, dass es sich unmöglich anhört, Jefe, aber er hat viele der Ratten getötet und die anderen wollten nicht mehr in seine Nähe. Er saß einfach da, wie ein Angler am See ... wir haben ihn wieder rausgezogen und nach oben gebracht, ihm die Scheiß