Schattenkrieger
Schwarzes Herz
Er war sich ziemlich sicher, dass er gefallen war. Nikoma erinnerte sich an Ian MacLeods verzweifeltes "Nein!" als er losgelassen hatte. Wieso zum Teufel fühlte es sich dann nicht nach Fallen an? Vorsichtig öffnete er die Augen. Undurchdringlicher Nebel und Kälte umfingen ihn wie eine tödliche Umarmung. Seine zitternden Finger tasteten nach der tiefen Wunde an seinem Bauch. Inschala! Sie war verschwunden. Lediglich ein Riss in seinem Hemd erinnerte daran. Der verfluchte Gezeitennebel musste schuld an alledem sein. Kleine Lichtblitze zischten immer wieder durch das feine weiße Gespinst. Nikoma hatte keine Angst vor dem Tod. Alles, was ihm je etwas bedeutet hatte, wusste er in guten Händen. Ob Isandora seinen Sohn nach ihm nennen würde? Ein Lächeln huschte über seine Mundwinkel. Niemals hätte er es für möglich gehalten, dass diese eine Nacht mit Isandora solch einen vollkommenen Zauber hervorbringen würde. Ein Kind, halb Mensch, halb Formwandler, zusätzlich zu ihrer Tochter, mit der sie schwanger gegangen war. Wieso hing er also jetzt hier fest, anstatt in der Anders-Welt bei seinem Vater und seinen Ahnen zu sein? Mühevoll kämpfte er sich auf die schwachen Beine, irrte ziellos durch diese gespenstische Welt, die nur aus weißem Nichts zu bestehen schien und betete um baldige Erlösung. War Alana auch hier? Nikoma lief und lief, ohne je anzukommen. Irgendwann ging ihm die Kraft aus. Erschöpft brach er inmitten vom Nirgendwo in die Knie, schlief völlig entkräftet an Ort und Stelle ein. Kühle Feuchtigkeit umgab ihn, rauschte über ihn hinweg. Wie in einem nassen Grab, dachte er. Ein schrecklich lautes Geräusch ließ ihn abrupt die Augen öffnen. Er hustete Salzwasser. Mühevoll setzte er sich auf, den Blick auf das riesige Ungetüm im Meer gerichtet. Wieder erklang dieser scheußliche Ton, der ihn entfernt an den Klang eines Horns erinnerte. Was, in Inschalas Namen, ist das?, fragte er sich beklommen und mühte sich vergeblich ab, auf die Beine zu kommen. Wo kam plötzlich der Sand her? Unvermittelt vernahm er Stimmen. "Cat, wir sehen uns. Ich muss los und sag deinem Pa, dass ich pünktlich nach Dunvegan Castle kommen werde, aye. Ach und Cat, lass dich nicht von `nem Selkie beißen", hörte er eine männliche Stimme sagen. "Ha, Ha, deine Witze waren auch schon einmal besser, Graham!", antwortete eine weibliche Stimme bissig. Knirschende Schritte näherten sich ihm in gemächlichem Tempo. Leider war er außerstande, sich zu verstecken oder wegzubewegen. Entkräftet sank er zurück auf den Strand. Ein sorgenvolles "Hallo?", gefolgt von einem Räuspern, ließ ihn erneut die Augen aufschlagen. Er sah an festen Schuhen, nackten, mit fremden Tribal tätowierten Waden und einer ausgefransten Hose empor. "Entschuldigen Sie bitte, Mister, aber ist mit Ihnen alles in Ordnung?", sagte die seltsam anmutende Gestalt eines jungen Mädchens, das sich zu ihm hinab beugte, um sachte Haare und Algen aus seinem Gesicht zu wischen. Statt einer Antwort kam nur ein gequältes Stöhnen über seine Lippen. Resoluter als man ihrem dünnen Körperbau ansah, griffen die Arme des Mädchens unter seine Achseln, zogen ihn vom Wasser weg. "Mein Name ist Beth Càtroina MacCrimmon, aber sagen Sie ruhig Cat, das tun eh alle. Haben Sie sich verletzt? Sind Sie mit einer Fähre gekentert oder von Bord gefallen? Sie sehen aus, wie einer von dem Gothic-Event in Edinburgh. Keine Sorge Mister, ich hatte erst einen Rote-Kreuz-Kurs", plapperte sie munter, ohne Luft zu holen, weiter. Er konnte nicht aufhören, in das hübsche Gesicht mit den funkelnden blauen Augen zu starren, das von blondem, für ein Mädchen viel zu kurzem, lockigem Haar umrahmt wurde. Kannten sie hier keinen Anstand? Wieder glitt sein Blick zu der bloßen Haut. Was sollten diese Tätowierungen bedeuten? Gesittete Kleidung schien es hier ebenfalls nicht zu geben. War dieses junge Mädchen vielleicht eine Amazone? "Wo bin ich", presste er krächzend hervor, erntete da