Max, mein Bruder
Abschnitt 1
D u lügst!", schrie ich wütend und sprang auf. "Du lügst wie gedruckt! Das weiß doch jedes Kind, dass ich mehr Sommersprossen habe als du!" Fast verschluckte ich mich dabei, so aufgeregt war ich. "Ich habe es genau gesehen! Du kannst einfach nicht zählen! Mach mal deine Augen auf, du Blindfisch!"
Max lag im Sand, blinzelte in die Sonne und grinste. "Hast du dich jetzt ausgetobt, Specki?", fragte er und tat sehr gelangweilt.
"Oh nein!", schrie ich noch lauter und lief dabei rot an vor Wut. "Jetzt hör mir mal gut zu!" Ich schrie so laut, dass Max vor Schreck zu grinsen aufhörte."Ich habe keine Lust mehr, mich auch nur eine Minute länger mit dir herumzuärgern. Ich verspreche dir eins ...
Jetzt holte ich tief Luft, um mir schnell noch etwas auszudenken. "Ich verspreche dir ... "Ich sagte das sehr bedeutungsvoll, aber mir fiel einfach nichts ein.
Ich sah auf die Sandfestung, die wir gebaut hatten. Und dann sprang ich hinein, sprang mitten hinein, und zum krönenden Abschluss spuckte ich darauf, so verächtlich, wie ich nur eben konnte.
"Du blöde Kuh!" Max griff nach Sand und bewarf mich damit. Ich rannte davon. So schnell ich konnte.
Als ich sicher war, dass er mich nicht verfolgte, wurde ich langsamer und schimpfte laut. Ein Blindfisch war er, jawohl, und gemein noch dazu. Ich wollte endlich einen anderen Bruder haben. Ich hatte wirklich genug von ihm. Zehn Jahre ging das jetzt schon so.
Nein, noch viel länger sogar. Selbst in Mamas Bauch waren wir ja schon zusammen. Ich konnte schließlich nichts dafür, dass wir Zwillinge waren. Aber bestimmt war Max auch da schon so gemein. Bestimmt war er das.
Direkt beschwören konnte ich das allerdings nicht. So genau erinnerte ich mich nun auch wieder nicht an unsere Nachmittage in Mamas Bauch. Aber es würde mich nicht wundern. Wirklich nicht!
Und immer wieder nannte er mich Specki! Als ich noch klein war, war ich ein bisschen dick. Nicht so sehr. Aber eben ein bisschen. Das war alles.
Inzwischen war ich sozusagen nicht mehr so dick. Aber Max war eben ein Blindfisch. Und überhaupt. Sollte er doch bleiben, wo der Pfeffer wächst! Wo das genau war, wusste ich zwar nicht, aber weit weg von hier war es bestimmt.
Ich setzte mich in den Sand und sah mich um. Viele Leute lagen hier und sonnten sich. Die meisten von ihnen schimmerten fettig von der dauernden Einreiberei.
Ich sah einem Mädchen zu, das den Handstand übte. Einen nach dem anderen übte sie. Und als sie bemerkte, dass ich ihr zusah, strengte sie sich noch mehr an.
Die sollte sich bloß nicht einbilden, dass ich sie bewunderte! Das, was die da machte, konnte ich längst! Schnell guckte ich weg, als sie wieder zu mir herübersah.
Und als sie dann noch auf mich zukam, bemerkte ich sie fast gar nicht mehr.
Sie stand vor mir und lachte mich an. Ich lachte zurück. Das musste ich ja wohl.
Sie sagte etwas.
Nicht ein Wort verstand ich davon. Bestimmt war sie eine Ureinwohnerin oder wie man die nannte. So eine richtige Französin eben.
Ich hielt meine Nase zu und sagte: "Merci!" Ein bisschen Französisch konnte ich ja schließlich auch.
Erstaunt sah mich das Mädchen an.
Vielleicht war sie ja doch Amerikanerin. Hm. Richtiges Amerikanisch tat's nur mit heißen Kartoffeln im Mund. Das hatte Mama mal gesagt. Nein! Sie musste eine Französin sein. Ich hielt mir also wieder die Nase zu und sagte: "Bonjour!"
Na endlich! Sie schien mich zu verstehen. Sie zeigte mit ihrem Finger auf ihre Brust und sagte: "Jaqueline!"
Ich machte das Gleiche und sagte: "Johanna!" Wir lachten.
Jaqueline nahm einen riesigen Kaugummi aus dem Mund und gab mir die Hälfte davon. Das fand ich sehr nett. Wir kauten und kauten und machten Blasen um die Wette. Anfangs waren sie noch ziemlich groß. Und später ging das irgendwie nicht mehr. Die Blasen platzten nämlich immer und vom Gesicht ging d