Dark Call - Du wirst mich nicht finden
Drei
Die grauen Wolken, die den gesamten Vormittag die Sonne verdeckt hatten, hingen immer noch am Himmel. Heftige Regenschauer jagten wie dichter Qualm über die Stadt.
Um diese Zeit waren sämtliche Durchgangsstraßen in London verstopft. Holly fuhr über Embankment und klopfte den Rhythmus eines Liedes auf dem Lenkrad mit, während der Regen auf das Wagendach prasselte und von der Windschutzscheibe spritzte. Sie liebte ihren knallroten MG, Baujahr 1982 - ein Klassiker, bildete sie sich ein. Sie ließ das Fenster ein Stück runter, um Luft hereinzulassen und den Regen zu riechen. Londoner Regen. Leicht salzig wegen der Themse. In dem Verkehr konnte sie den Fluss kaum ausmachen, aber wenn sich eine Lücke auftat, sah sie die Lichter und Schiffsmasten. Der November hatte begonnen, spätestens in einem Monat würden die Autos hier Stoßstange an Stoßstange stehen, wenn Weihnachtsbegeisterte und Käufer auf der Suche nach Schnäppchen in die Innenstadt strömten.
Sie schaute auf ihre Armbanduhr. Fast drei, sie bog also auf die Westminster ab, vorbei an Belgrave Square Garden, und schon wenig später war sie auf der Cromwell Road, wo die Geschäfte bereits mit bunten Fähnchen für den Schlussverkauf warben. Fünf Minuten später befand sie sich in einer ruhigen Wohnstraße mit georgianischen Häusern zu beiden Seiten und bog dort in die Auffahrt zum Wetherington Hospital ein. Mit den kannelierten Säulen am Eingang und der Fassade aus weißem Stein hatte es etwas Hochherrschaftliches. In den Achtzigerjahren, als Gentrifizierung noch der letzte Schrei gewesen war, hatte man es umgebaut. Holly fuhr über die verkehrsberuhigenden Schwellen und parkte auf einem den Mitarbeitern des NHS vorbehaltenen Parkplatz, der mit ihrem Namen gekennzeichnet war. Der Weg wurde von Azaleen gesäumt und endete an der schweren Stahltür, die in das Krankenhaus führte. Über der Tür war ein Bewegungsmelder angebracht, daneben eine Weitwinkelkamera, die alles einfing, was sich näherte oder auf den Parkplatz fuhr.
Sie zog ihre Schlüsselkarte durch den Scanner und wurde mit einem schweren Knacken belohnt. Die magnetische Verbindung wurde unterbrochen, und die Tür ließ sich mit sanftem Druck öffnen. Drinnen war es warm und, dank der Neonröhren an der Decke, hell. Sie ging weiter zur Sicherheitskontrolle, wo sie den Metalldetektor und Edyta passierte, die Wärterin, die Hollys Namen in ein Buch eintrug und ihre Handtasche gründlich durchsuchte.
»Guten Tag, Holly.«
»Hi, Edyta. Das Wochenende ist schon wieder vorbei, keine Ahnung, wieso das so schnell ging. Wie geht's Mike mit seinem Bein?«
»Nächsten Samstag kommt der Gips ab. Er hat sich wieder mit der Stricknadel darunter gekratzt. Wär mir ja egal, aber dabei trennt er jedes Mal ein Stück von meinem Pulli auf.« Sie gab Holly die Tasche zurück. »Schönen Tag.«
Im Raum mit den Schließfächern zog Holly ihren weißen Arztkittel über und nahm ihr Klemmbrett. Auf dem Weg durch den langen Gang in die Behandlungszimmer, die in einem separaten Gebäude untergebracht waren, grüßte sie Ärzte und Schwestern. Neben dem bogenförmigen Anmeldungsschalter befand sich eine Tür, die tiefer in das Gebäude führte. Die Stationsschwester sortierte Unterlagen in kleine Stapel, als Holly näher trat.
»Hi, Jackie, viel zu tun?«
»Kann man wohl sagen. Heute gab's kein heißes Wasser in der Männerdusche.«
»Kalte Duschen in einer Irrenanstalt? Welches Jahr schreiben wir denn, 1869?« Sie nahm ihre Checkliste und legte die Stirn in Falten. »Wie geht's Lee heute?«
»Tut mir wahnsinnig leid, Liebes, aber Lee hatte heute Morgen einen kleinen Anfall.«
»O nein. Dabei ging es ihm mit dem Risperidon doch so viel besser.«
»War ganz schön schlimm. Er wurde isoliert.«
»Ist Max in seinem Büro?«
Jackie nickte. »Er erwartet dich.«
Max Carrington, der Anstaltsleiter, sagte nichts, während Holly vor seinem Schreibtisch im Kreis ging. Sie hatte die Hände