Die Morde von Hamburg: Drei Krimis in einem eBook
Kapitel 1
Jeremias Voss saß am Schreibtisch in seiner Jugendstilvilla am Mittelweg in Hamburg, die Beine auf dem Tisch und die Füße über Kreuz. In der einen Hand hielt er die Tageszeitung und in der anderen einen Becher mit dampfendem Kaffee. Hinter ihm nagte Nero, sein Hund, schmatzend an einem Schinkenknochen, den Vera ihm mitgebracht hatte.
Voss genoss die Ruhe. Kein Termin sollte ihn an diesem Morgen stören. Er las die Zeitung nicht wirklich, sondern überflog nur die Artikel auf der Suche nach einem Mord, Raub oder anderen Verbrechen, zu dessen Aufklärung seine Expertise erforderlich sein könnte. Als privater Ermittler konnte er sich, im Gegensatz zu seinen Kollegen, die Fälle aussuchen. Nicht umsonst galt er als der erfolgreichste, aber auch teuerste Privatdetektiv in Hamburg. Sein Name war weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt.
Als er nichts Interessantes fand, warf er die Zeitung in den Papierkorb und schloss die Augen. So brauchte er sich nicht mit den drei Stapeln Papier auf dem Schreibtisch zu beschäftigen, die Vera Bornstedt, seine hübsche Assistentin, dort hingelegt hatte.
Vera war die Seele des Büros und Expertin für Recherchen im Internet. Sie war seit der Stunde null bei ihm, zunächst als Sekretärin, dann als Assistentin und seit knapp drei Jahren als Mädchen für alles. Er vertraute ihr blind, und sie verehrte ihn. Trotzdem siezten sie sich nach wie vor. Nicht, weil Voss es so wollte, sondern auf Veras Wunsch hin. Sie war glücklich verheiratet, hatte einen 17-jährigen Sohn und wollte das Glück ihrer Familie nicht aufs Spiel setzen, denn sie war fest davon überzeugt, dass es vom Duzen nur noch ein kleiner Schritt war, bis sie im Bett landeten. Und das wollte sie nicht.
Es klopfte, und Vera trat ein.
»Chef, wir haben Kundschaft. Eine Dame möchte Sie sprechen.«
Voss sah sie missmutig an. »Können Sie das nicht erledigen? Ich habe jetzt keine Lust, mich zu unterhalten.«
»Natürlich könnte ich das, aber ich bin überzeugt, Sie würden es lieber selbst tun.«
Voss' Laune sank noch eine Stufe tiefer. Trotzdem fragte er aus reiner Neugier: »Worum handelt es sich denn?«
»Das will Sie nur mit Ihnen besprechen.«
»Sagen Sie ihr, ich sei schwer beschäftigt und es sei Ihre Aufgabe zu klären, ob die Anliegen der Klienten in unseren Arbeitsbereich fallen oder ... ach, sagen Sie, was Sie wollen, nur wimmeln Sie sie ab. Ich habe heute keine Lust, irgendetwas zu tun.«
»Das brauchen Sie nicht zu betonen, man sieht es überdeutlich. Aber ich glaube, Chef, wenn Sie die Dame erst gesehen haben, dann werden Sie sie um nichts in der Welt versäumen wollen.«
Voss nahm die Füße vom Tisch und beugte sich interessiert vor. »Ist sie so schön?«
»Schön?« Vera tat, als müsste sie überlegen, dann sagte sie: »Schön? Nicht direkt. Aber eine Erscheinung. Chef. So etwas haben Sie noch nicht gesehen.«
»Überredet. Schicken Sie sie herein. Aber wehe, sie haut mich nicht vom Stuhl.«
»Sofort, Chef. Hier ist übrigens ihre Karte.«
Sie reichte ihm eine Visitenkarte. Sie war aus blasslila Büttenpapier und mit kräftigen, bordeauxroten Buchstaben bedruckt. Er las:
Dr. Dörte Paulsen
Unternehmerin
Schlosshotel Breden
24375 Bredenbüttel
Es folgten Telefonnummern, Mobilfunknummer, eMail und Internetadresse.
Voss sah seine Assistentin mit gerunzelter Stirn an, doch Vera grinste nur anzüglich und ging zur Tür.
»Frau Dr. Paulsen, Herr Voss lässt bitten.« Sie hielt der Besucherin die Tür auf.
Das Erste, was durch die Tür kam, war eine Wolke Parfüm, wahrscheinlich angesogen vom offenen Fenster neben dem Schreibtisch. Nero hob seinen mächtigen Kopf, schnüffelte, knurrte und wandte sich wieder seinem Knochen zu. Der Duftwolke folgte eine Frau, mittelgroß, schlank, schwarze Haare, breiter Mund, ausgeprägte Oberweite und mit einem Ge