Fever
2
20. März
Am deutlichsten erinnern wir uns an die Augenblicke der Angst, des Verlustes und der Erniedrigung.
Ich war dreizehn Jahre alt, am 20. März im Jahr des Hundes.
Der Tag verlief wie der gestrige und der davor. Wir wurden eingehüllt vom tiefen Dröhnen des Dieselmotors in unserer großen Volvo FH12-Zugmaschine und dem sonoren Rollen der sechzehn Räder unter dem langen, geschlossenen Anhänger dahinter. Draußen zog eine vorhersehbare, nicht erinnernswerte Landschaft vorbei. Ich spüre noch die künstliche Kühle der Klimaanlage im Führerhaus, das innen noch ganz neu und sauber roch. Ich hielt ein Schulbuch auf dem Schoß, doch meine Gedanken schweiften ab.
Mein Vater ging vom Gas. Ich blickte auf, zum Fenster hinaus und sah die weißen Buchstaben auf dem schwarzen Untergrund des Schildes am Wegesrand: WILLKOMMEN IN KOFFIEFONTEIN!
»Koffiefontein«, sagte ich vor mich hin, bezaubert von dem Namen und dem dazugehörigen Bild in meiner jugendlichen Phantasie - eine warme, aromatische Quelle von blubberndem, dunklem Gebräu.
Langsam fuhren wir in das Dorf hinein. Im schwindenden Licht des Spätnachmittags lag es geisterhaft und leblos da, wie all die anderen Orte auch. Unkraut auf den Bürgersteigen, der Rasen hinter den Zäunen hoch aufgeschossen und verwildert. Am Horizont, weit hinter den flachen Gebäuden entlang der breiten Hauptstraße zuckten kreuz und quer Blitze dramatisch über phantastische Wolkenformationen. Im Westen färbte sich der Himmel in einem tiefen Blutrot, seltsam und beunruhigend.
Mein Vater deutete mit dem Finger darauf. »Cu-mu-lo-nim-bus«, sagte er, jede Silbe einzeln betonend. »So nennt man diese Wolken. Das kommt aus dem Lateinischen. 'Cumulus' bedeutet 'Anhäufung', und 'Nimbus' heißt 'Regenwolken'. Bei uns verheißen solche Wolken ein Gewitter.«
»Cu-mu-lo-nim-bus«, wiederholte ich zögernd.
Mein Vater nickte, lenkte den großen Truck geschickt an eine Tankstelle, hielt an und schaltete die Scheinwerfer an der Seitenwand des langen Auflegers ein. Der Mechanismus war selbst installiert. Die Zapfsäulen warfen nun lange Schatten, die menschlichen Gestalten glichen. Der Motor schwieg. Wir stiegen aus.
So sehr daran gewöhnt, dass keine Gefahr drohte.
Vom Asphalt stieg die Spätsommerhitze des Tages auf, und die Zikaden zirpten schrill, begleitet von anderen, tieferen Lauten.
»Was ist das, Pa?«
»Das sind Frösche. Dahinten fließt der Rietrivier.«
Wir gingen am Anhänger entlang. Er war weiß, beschriftet mit drei großen, grünen Kursivbuchstaben: RFA. Die Bedeutung der Abkürzung fand sich auf der hinteren Bordwand - Road Freight Africa. Wir hatten den Volvo auf einem Lkw-Parkplatz kurz hinter Potchefstroom gefunden - starke Zugmaschine, so gut wie neu, der Tank voll. Jetzt gingen wir, Vater und Sohn, nebeneinanderher. Die Haare meines Vaters waren lang, ungekämmt und blond, meine ebenso wild, aber braun. Ich war dreizehn, im Niemandsland zwischen Kind und Teenager, und fühlte mich wohl dort.
Eine Fledermaus strich tief über meinen Kopf.
»Wie fängt eine Fledermaus ihre Beute?«, fragte mein Vater.
»Durch Echoortung.«
»Und zu welcher Gruppe von Tieren gehört die Fledermaus?«
»Zu den Säugetieren, nicht zu den Vögeln.«
Er zerstrubbelte meine Haare noch mehr. »Prima.«
Ich mochte das.
Wir begannen mit dem vertrauten Ritual, das wir seit Wochen mindestens einmal täglich durchführten: Mein Vater trug das kleine Honda-Stromaggregat und die Elektropumpe zu den Nachfüllstutzen der Tankstelle, die in einer Reihe angeordnet und mit verschiedenfarbigen Deckeln gekennzeichnet waren. Dann holte er den großen Engländer, um den schwarzen Dieseldeckel zu öffnen. Meine Aufgabe war es, den langen Gartenschlauch auszurollen. Dieser war mit der elektrischen Pumpe gekoppelt, und das andere Ende musste ich in die Tanköffnung des Vol