Hummelstich - Casanova muss sterben
2. Zwei gute Freunde kehren heim
Während sich der Tag dem Ende zuneigte und die meisten Hummelstichler bereits selig schlummerten, tanzten die Bewohner eines Hauses völlig aus der Reihe. In dem stattlichen und frisch renovierten Hauptgebäude eines großen Bauernhofes, an den weitläufige Wiesen und Felder sowie ein hübscher Obstgarten grenzten, dachte in dieser Nacht niemand ans Schlafengehen. Aus dem Schornstein kletterten munter kleine Rauchwolken empor, und fröhliches Gelächter drang, vermischt mit neugierigem Geplapper, durch die angelehnte Verandatür. Es duftete nach Braten und Zitronenkuchen, und in den hohen Fensterscheiben spiegelten sich die Lichter unzähliger Kerzen wider. Eine heitere Musik nuddelte mit einem leicht blechernen Beiklang vor sich hin, so als hätte jemand ein altes Trichtergrammofon eingeschaltet.
Im Hühnerstall, der zwischen dem Wohnhaus und einem gewaltigen Misthaufen lag, reagierte das Federvieh auf die ungewohnte nächtliche Ruhestörung mit lautem Gegacker. Die siebenköpfige Hühnerschar war so etwas wie die Dalton-Bande im Dorf und hatte sich durch diverse kriminelle Machenschaften einen höchst zweifelhaften Ruf erworben. Obwohl sie weder besonders groß noch sonst in ihrer äußeren Erscheinung irgendwie Furcht einflößend waren, zollte man ihnen stets den allergrößten Respekt. Kein Fuchs hatte es je gewagt, sich an ihnen zu vergreifen.
Unterdessen schickte das herannahende Unwetter bereits die ersten kleinen Regentropfen zur Erde, und auch die Launen des Windes ließen nichts Gutes erahnen. Von alledem unbeeindruckt, schlenderte eine alte graue Katze vorbei und hielt direkt auf ein riesiges Fahrzeug zu, das in der Nähe des Bauernhauses geparkt war. Es war ein wahres Ungetüm von einem Bus, mit verbeulter Karosserie und einer höchst merkwürdigen Lackierung. Beide Seiten des Vehikels waren mit der Abbildung prall gefüllter Bücherregale versehen. Jeweils darüber stand in großen markanten Lettern BÜCHER AUF RÄDERN - BEAS LEIHBIBLIOTHEK geschrieben.
Der Besitzer des Gehöfts, Sven Grüneis, saß an einem langen Tisch im Zentrum seiner gemütlichen Wohnküche und freute sich fast ein Loch in den Bauch. Er hielt ein volles Sektglas in der einen Hand, mit der anderen schaukelte er sanft eine hölzerne Wiege.
»Auf euch, meine lieben Freunde! Auf euch und auf eure Rückkehr!« Er prostete einer bunt gekleideten Frau mit kurzen feuerroten Haaren sowie einem kleinen Mann mit einem gezwirbelten Schnurrbart zu. Die beiden hatten auf der anderen Seite des Tisches Platz genommen und grinsten wie zwei Honigkuchenpferde.
»Wie schön, dass ihr wieder da seid«, pflichtete Sara Grüneis ihrem Mann bei, setzte sich auf den Stuhl neben ihm und erhob ebenfalls ihr Glas.
»Cheers«, rief die rothaarige Frau und kraulte den Kopf eines fidelen Papageis, der so bunt war wie sie selbst und, auf ihrer linken Schulter sitzend, zärtlich an ihrem Ohrring knaubelte.
»Salute«, stimmte auch der Schnurrbartträger mit ein. Dann stießen alle vier miteinander an.
»Suffköppe«, zeterte der Papagei und schlug nun mit seinem krummen Schnabel gegen den Ohrring, als wäre der eine Boxbirne. »Schluckspechte. Trinknasen.« Er plusterte sich auf und legte den Kopf schief, als überlegte er, ob ihm noch weitere Beschimpfungen einfielen.
»Sei nicht so streng mit uns, Dr. Jekyll«, kam ihm Scarabea von Maarstein zuvor und lachte erst leise, dann immer lauter, bis sie auch die anderen damit angesteckt hatte. Selbst der Ara gab schließlich ein zufriedenes Glucksen von sich.
Sven Grüneis musterte Scarabea mit unverhohlener Bewunderung und stellte zufrieden fest, dass sie sich überhaupt nicht verändert hatte. Sie war noch immer so schillernd und flippig, wie er sie in Erinnerung gehabt hatte. So voller Tatendrang und jugendlichem Elan, so charismatisch und lebensfroh, dass sie jedes Herz im Sturm eroberte. Noch immer konnte er nicht glauben,