Hummelstich - Ein Mord kommt selten allein
4. Viererlei Gesprächsstoff
Wenig später hatte Bea einen Entschluss gefasst. Sie würde die Antwort auf die Frage finden, was wirklich mit ihrer Freundin passiert war. Auch wenn die Erkenntnis, dass Hetty möglicherweise ermordet worden war, sie zutiefst schockierte, blieb ihr gar keine andere Wahl. Das war sie ihrer Freundin schuldig. Dieser Weg würde steinig werden, so viel war klar. Den wichtigsten Teil einer kriminalistischen Untersuchung, nämlich die Leichenschau und damit die Möglichkeit, an Henriettas Körper Spuren eines nicht natürlichen Todes zu finden, konnte man vergessen. Man brauchte kein Gerichtsmediziner zu sein, um zu wissen, dass nach einer Feuerbestattung eine Exhumierung zwecklos war. Damit blieb ihr nur, Augen und Ohren weit aufzumachen, zur richtigen Zeit die richtigen Fragen zu stellen und den Tag von Henriettas Tod bis ins kleinste Detail zu rekonstruieren.
Ihr Bauchgefühl, das ein ausgesprochen hungriges war, führte Bea als Erstes ins Gasthaus Zum Goldenen Lamm. Wirtshäuser waren seit jeher die wichtigsten Umschlagplätze für Informationen aller Art. Hier erfuhr man meist etwas Interessantes, und ganz nebenbei konnte man noch einen Happen essen.
Das Lokal war äußerst geräumig, gemütlich möbliert und strahlte eine wohlige Atmosphäre aus. Gedämpftes Licht beleuchtete schwere dunkle Ledersessel und ließ mehrere Kessel aus Messing erstrahlen, die neben Kochtöpfen an der Wand hingen. In die Aromen von Hopfen und Malz mischten sich der Geruch von Tabak aus einer kleinen Raucherecke im vorderen Teil des Raumes sowie ein köstlicher Bratenduft. Viele Tische waren besetzt, und die Gäste plauderten angeregt miteinander.
Als man Bea bemerkte, wurde es aber mit einem Mal mucksmäuschenstill. Alle starrten sie mit großen Augen an. Davon unbeeindruckt, nickte sie freundlich grüßend in die Runde, bahnte sich einen Weg zum Tresen und nahm auf einem Barhocker Platz. In dem Moment, in dem sie sich niederließ und damit den übrigen Gästen den Rücken zudrehte, setzte auch wieder die Geräuschkulisse ein.
Hinter dem Tresen hatten ein Mann und eine Frau sie beim Hereinkommen beobachtet. Es handelte sich offenbar um Lutz und Berta Schimmelpfennig, die Besitzer und Betreiber des Lokals, wie Bea in dem kleinen Schaukasten an der Tür gelesen hatte. Sie waren schätzungsweise Anfang fünfzig und auf den ersten Blick unscheinbare Menschen. Alles an ihnen wirkte durchschnittlich. Zwei Allerweltsgesichter, die man kurzzeitig wahrnahm und schnell wieder vergaß. Doch Bea, die ein gutes Gespür für Menschen besaß, meinte, noch etwas anderes zu entdecken. In den Augen der beiden, da war sie sich sicher, als sie ihren Blick erwiderte, lag etwas Verschlagenes. Und noch etwas. Etwas wie ... Gier?
»Was darf's denn sein?«, fragte Lutz Schimmelpfennig in übertrieben freundlichem Ton. Das Lächeln, das er ihr schenkte, kam Bea unecht vor.
Sie unterbrach ihre Überlegungen für einen Moment und bestellte ein großes Blondes.
Als das bernsteinfarbene Gebräu mit einer dicken weißen, wolkengleichen Schaumkrone vor ihr stand, sagte der Wirt: »Sie sind das also.« Es war eine Feststellung, keine Frage.
»Verzeihung?«
»Na, die Frau, über die das ganze Dorf spricht. Sie sollen ja auf dem Friedhof eine Wahnsinnsshow abgezogen haben.«
Bea lächelte milde. »Man tut, was man kann«, erwiderte sie fröhlich. Mit einem Blick auf die Speisekarte fragte sie: »Was können Sie mir denn empfehlen?«
»Wir haben einen Mittagstisch. Heute gibt's Rinderroulade. Dazu Klöße und Rotkraut.«
Bea nickte zustimmend. »Fein.«
»Dann sind Sie eine Verwandte der Verstorbenen?«, fragte der Wirt. »Ich weiß, Sie sind bestimmt die Tochter.« Und bevor sie sich's versah, ergriff er ihre Hand und versicherte sie seines aufrichtigsten und herzlichsten Beileids.
Bea nahm ihm die Betroffenheit über Hettys Tod nicht ab. »Nein«, antwortete sie. »Ich bin eine gute Freundin de