Jeremias Voss und die Leichen im Eiskeller - Der neunte Fall
Kapitel 1
»Scheiße!« Jeremias Voss fluchte wie ein Hafenarbeiter.
Es war zwei Tage nach Weihnachten, und es herrschte minus fünf Grad. Der scharfe Ostwind ließ die gefühlte Temperatur um weitere zehn Grad sinken. Über Nacht hatte es geschneit, die Landschaft war mit einer Schneedecke überzogen, und es war unmöglich zu erkennen, wohin man trat. Und genau das war Voss zum Verhängnis geworden. Beim Überspringen eines Grabens war er auf einer vereisten Fläche ausgerutscht und im Wasser gelandet. Zum Glück hatte er seinen Körper so in der Gewalt, dass er aufrecht stehen blieb und nicht komplett in der eiskalten Moorbrühe lag. Das Wasser ging ihm bis zum Schritt, Nässe und Kälte drangen sofort durch die Hose und von oben in die Stiefel. Voss watete zum anderen Ufer. Es waren nur drei Schritte, doch als er sich an der Grabenböschung hochziehen wollte, rutschte er immer wieder ab. Er hatte kein Gefühl mehr in den Füßen.
»Fang bloß nicht an zu lachen!«, rief er Nero in einem Anflug von Galgenhumor zu. »Hilf mir lieber.«
Nero, sein bulliger Hund, hatte den Graben in einem eleganten Sprung genommen und stand nun an der Böschung und verfolgte die vergeblichen Bemühungen seines Herrn.
Es war, als hätte er die Worte verstanden, denn er tastete sich so weit vor, wie der rutschige Boden es zuließ.
Voss zwang sich zur Ruhe. Panik brachte in solchen Momenten nichts, sie behinderte nur das logische Denken. Schnell wurde ihm bewusst, dass er ohne Hilfe nicht aus dem Graben mit den fast senkrechten Wänden herauskommen würde. Natürlich hätte er versuchen können, die Böschung mit den Händen abzuschrägen, doch der Boden war hart gefroren, und ob ihm die eisige Kälte Zeit dazu lassen würde, war fraglich. Er zog seine Winterjacke aus und warf sie Nero zu. »Zieh!«, befahl er.
Nero schien ihn verstanden zu haben, denn er packte mit seinem mächtigen Maul einen Ärmel der Jacke und legte sofort los. Voss klammerte sich mit beiden Händen an den anderen Ärmel.
Eine Minute später lag er auf der Uferböschung. Ihn aus dem Entwässerungsgraben zu ziehen, war für Nero mit seinen 55 Kilo Muskeln und Knochen keine Herausforderung gewesen.
Voss stand mühsam auf und hielt sich an Neros Rücken fest, um nicht hinzufallen. Dann zog er die vor Schmutz starrende Winterjacke wieder an. Sie war zwar durchnässt, bot aber Schutz gegen den kalten Ostwind. Jetzt war es vordringlich, Blut in die erstarrten Füße zu pumpen und den Kreislauf in Gang zu bringen. Obwohl es ihm schwerfiel, versuchte er zu laufen. Die ersten Schritte waren nur ein Torkeln, doch bald gelang es ihm, richtig auszuschreiten. Eine halbe Stunde später hatte er das Schloss, in dem er untergebracht war, erreicht.
Ich werde nie begreifen, dass es Menschen gibt, die das ganze Jahr darauf warten, bei diesem Mistwetter auf die Jagd zu gehen, fluchte er innerlich. Und das, obwohl er selbst einen Jagdschein besaß.
Im Keller des Schlosses zog er die nasse Kleidung aus und warf sie auf einen Haufen. Zum Glück reichte das Flanellhemd bis auf die Oberschenkel.
Um sein Pech komplett zu machen, traf er auf der Treppe zum ersten Stock die Dame des Hauses.
»Mein Gott, Herr Voss, was haben Sie denn gemacht?«, fragte sie, anstatt sich dezent abzuwenden und so zu tun, als würde sie ihn nicht sehen.
Voss ließ sich die Peinlichkeit seines Aufzugs nicht anmerken. Mit todernster Miene antwortete er: »Ich wollte zum Abendessen ein paar Aale beisteuern. Bei der Suche nach ihnen bin ich leider etwas nass geworden.«
Sophie Gräfin von Haltern sah ihn verständnislos an. »Aber, Herr Voss, die gibt es doch jetzt nicht.« Sie schüttelte ungläubig den Kopf.
»Das wissen die Aale, aber ich nicht, gnädige Frau. Ich bin nur ein ahnungsloser Stadtmensch.«
Die Miene der Gräfin verzog sich zu einem ärgerlichen Ausdruck. »Ich glaube, Herr Voss, Sie erlauben sich einen Scherz mit mir.«
Voss tat betrof