Kaltes Gold
Olivia Rönning war glücklich.
Glücklich, verliebt und braun gebrannt. Sie hatte Rückenwind, und das sah man ihr an, als sie, frisch von einem Urlaub in Mexiko zurückgekehrt, an ihrem Arbeitsplatz in der NOA, der Nationalen Operativen Abteilung, im Polizeipräsidium Stockholm einschwebte. Sie grüßte fröhlich alle Kollegen, denen sie auf dem Flur begegnete, und es strahlte dermaßen um sie herum, dass einige von ihnen stutzig wurden. Hatte sie etwas geraucht? So konnte man völlig grundlos doch nicht einfach aussehen, schon gar nicht in diesen Zeiten. Als sie schließlich die Tür zum gemeinsamen Büro mit Lisa Hedqvist öffnete, empfing sie sofort der fragende Blick ihrer geschätzten Kollegin.
»Warum bitte siehst du so glücklich aus? Hast du gar kein schlechtes Gewissen? Wo bleibt deine Flugscham?«
Olivia grinste, hob die Hände und klopfte sich leicht auf die Ohren.
»Entschuldige, aber ich höre nicht so gut. Schlechter Empfang hier drinnen.«
»Wahrscheinlich ist dir so ein Korallentier ins Ohr geraten. Das soll lebensgefährlich sein, habe ich gehört. Aber zumindest siehst du gut aus.«
Lisa erhob sich von ihrem Stuhl und wickelte Olivia in eine große Umarmung ein, zusammen mit einer Wolke Parfüm, das sie sich offenbar neu zugelegt hatte. Vielleicht hatte sich auch eine leichte Spur Schweiß daruntergemischt. Was nicht weiter erstaunlich schien, denn die Luft im Raum war alles andere als kühl. Die Sonne knallte durch die ziemlich schmutzige Fensterscheibe, und der Luftzug der Umarmung ließ kleine Staubkörnchen auf den Strahlen tanzen. Olivia versuchte, ein Niesen in Lisas Ohr zu unterdrücken, was ihr nicht ganz gelang.
»Gesundheit und willkommen zurück. Hattet ihr es schön? Du warst supermies im Posten von Bildern.«
Lisa lockerte ihren Griff um Olivia, zog ihr Shirt nach unten und setzte sich wieder. Olivia hängte ihre Tasche an den Haken und rückte die Haarklammer zurecht, die ihr dunkles Haar in einem lässigen Knoten hielt.
»Es war einfach nur magisch«, sagte sie. »Und ja, ich weiß. Ich habe Insta ziemlich vernachlässigt, aber ich hätte massenhaft Bilder auf meinem Handy, mit denen ich dich quälen könnte.«
Sie ließ sich auf ihren Stuhl fallen, der plötzlich zu einem Fahrstuhl nach unten wurde, sodass sie mit dem Kinn fast auf die Tischkante knallte.
»Verdammt!«
Olivia sah zu Lisa hinüber, die sich vor Lachen krümmte.
»Du hast irgendwas losgeschraubt!«
»Nein!«
Lisas prustendes Lachen erfüllte den tristen grauen Raum, die Staubkörnchen, die zuvor getanzt hatten, sausten jetzt wie kleine Starfighter durch die Luft.
»Ich hab den Stuhl nicht angerührt, ich schwöre es.«
Olivia rappelte sich aus ihrer entwürdigenden Lage hoch und untersuchte den Bürostuhl, doch keiner der Hebel funktionierte. Am Ende gab sie es auf, schob ihn zur Seite und nahm sich einen Klappstuhl, der an der Wand lehnte. Der war etwas zu hoch, aber so musste es jetzt erst mal gehen. Lisa hatte sich von ihrem Lachanfall erholt und wischte sich ein paar Tränen aus den Augenwinkeln.
»Das war genau das, was ich gebraucht habe. Du hättest dein Gesicht sehen sollen!«
»Wie schön, dass ich dein freudloses Dasein ein wenig aufhellen konnte. Ist es hier drin nicht unglaublich heiß?«
»Der Hades ist nichts dagegen. Irgendwas stimmt mit der Klimaanlage nicht.«
Olivia trat ans Fenster und streckte die Hand nach dem Griff aus.
»Vergiss es«, sagte Lisa. »Das lässt sich nicht öffnen.«
»Was ist denn los hier? Kaum ist man mal weg, verfällt alles?«
»Yep.« Lisa lächelte. »Es war schließlich Ferienzeit, nicht nur für dich.«
»Ich weiß. Wie war es denn bei dir?«
»Doch, ganz gut, oder na ja, erst war ich bei meiner Mutter auf Åland, wo es ununterbrochen geschüttet hat, also habe ich mich dann für Malaga entschieden. Last Minute, zusammen mit einer Freundin.«