Projekt Chimera
27. Dezember, 1832
An Bord der HMS Beagle
WIR HÄTTEN DIE Warnung beherzigen sollen ...
Charles Darwin schaute auf die mit schwarzer Tinte auf die weißen Seiten seines Tagesbuchs geschriebenen Worte nieder, doch er sah nur Rot. Trotz des kleinen Kanonenofens fröstelte er in der Kälte, die ihm bis ins Mark drang - eine Kälte, die vermutlich nie mehr ganz verschwinden würde. Er sprach lautlos ein Gebet und dachte daran, dass sein Vater ihn gedrängt hatte, ein Theologiestudium zu beginnen, nachdem er die Medizinerausbildung abgebrochen hatte.
Vielleicht hätte ich auf ihn hören sollen.
Stattdessen hatte er der Lockung ferner Küsten und wissenschaftlicher Entdeckungen nachgegeben. Fast auf den Tag genau vor einem Jahr hatte er seine Anstellung als Naturkundler auf der HMS Beagle angetreten. Im zarten Alter von zweiundzwanzig war er bereit gewesen, sich einen Namen zu machen und die Welt kennenzulernen. So war er hier gelandet, und jetzt klebte an seinen Händen Blut.
Er schaute sich in der Kabine um. Als er an Bord gekommen war, hatte man ihm ein Quartier im Kartenraum des Schiffs zugewiesen, ein beengtes Gemach, das beherrscht wurde von dem großen Tisch in der Mitte, der vom Besanmast durchstoßen wurde. Er nutzte jeden freien Winkel - Schränke, Bücherregale, sogar das Waschbecken - als Arbeitsfläche und provisorisches Museum für die gesammelten Artefakte und Proben. Er hatte Knochen und Fossilien zusammengetragen, Zähne und Muscheln, sogar konservierte Exemplare ungewöhnlicher Schlangen, Eidechsen und Vögel. Neben seinem Ellbogen lag ein Brett mit aufgespießten Käfern von enormer Größe, mit Hörnern, die an das afrikanische Nashorn erinnerten. Neben dem Tintenfass waren Gläser mit getrockneten Pflanzen und Samen aufgereiht.
Hilflos ließ er den Blick über seine Sammlung schweifen - der fantasielose Captain FitzRoy bezeichnete sie als nutzlosen Plunder.
Vielleicht hätte ich das alles nach England schicken sollen, bevor die Beagle von Feuerland aufgebrochen ist ...
Bedauerlicherweise war er wie der Rest der Besatzung zu sehr von den Erzählungen der Wilden des Archipels, den eingeborenen Feuerländern des Yaghanstamms, in Anspruch genommen gewesen. Die Legenden der Stammesleute handelten von Ungeheuern, Göttern und Wundern, die jede Vorstellung sprengten. Diese Erzählungen hatten die Beagle in die Irre und um die Spitze von Südamerika herumgeführt, über das aufgewühlte Meer bis zu dieser erstarrten Einöde am Ende der Welt.
" Terra Australis Incognita ", murmelte er vor sich hin.
Das berüchtigte Unbekannte Südland.
Er zog eine Landkarte aus dem Durcheinander auf seinem Schreibtisch hervor. Vor neun Tagen, kurz nach dem Erreichen von Feuerland, hatte Captain FitzRoy ihm diese französische Karte aus dem Jahr 1583 gezeigt.
Es handelte sich um eine Darstellung des unerforschten Kontinents am Südpol der Erdkugel. Die Karte war offensichtlich ungenau und berücksichtigte nicht die Tatsache, dass Sir Francis Drake, ein Zeitgenosse des Kartografen, bereits das Eismeer entdeckt hatte, das Südamerika von diesem unbekannten Land trennte. Obwohl man die Karte schon vor zweihundert Jahren gezeichnet hatte, war dieser unbewohnbare Kontinent noch immer ein Geheimnis. Nicht einmal der exakte Küstenverlauf war bekannt.
War es da verwunderlich, dass ihre Fantasie entflammte, als einer der Feuerländer, ein knochiger alter Mann, der Besatzung der soeben eingetroffenen Beagle ein erstaunliches Geschenk machte? Das Schiff hatte in der Nähe der Wulaiabucht geankert, wo der gute Reverend Richard Matthews in seiner Mission viele Wilde bekehrt hatte und sie in den Grundlagen des Englischen unterrichtete. Der alte Mann, der ihnen das Geschenk überreichte, war der Sprache des Königs nicht mächtig, doch es bed