Skrupellos: Thriller
Prolog
Duisburg - Herzklinik, Intensivstation
Vanessa hielt die warme Hand ihres Mannes. Ihr war bewusst, dass er in wenigen Minuten tot sein würde, dass er eigentlich schon jetzt nicht mehr lebte. Die Intensivstation wurde von Tönen überflutet, die sie nervös machten. Ein unerträglicher sinnüberflutender Geräuschpegel von Maschinen, die dazu dienten, die Brust anzuheben, Luft einzupumpen, um sie dann mit einem Zischen entweichen zu lassen. Sie wusste, sobald die Maschinen ausgeschaltet wurden, gab es keine Zukunft mehr. In diesem Moment starrte sie nur noch auf eine leere Hülle. Zwar sah diese so aus wie der Mann, mit dem sie zweiundvierzig Jahre lang verheiratet war, aber eine Reaktion, eine Geste, ein Lächeln ... all das war nicht mehr. Diese Geräte konnten noch tagelang einen Herzschlag simulieren. Die aktuelle Medizintechnik war dazu imstande.
Erschrocken zuckte sie zusammen.
Theos Augenlider flackerten. Sollte die Chance bestehen? Nein. Unmöglich. Die Prognose der Ärzte war eindeutig und sagte etwas anderes.
Multiples Organversagen.
Heilungschancen: null.
Er wird nie wieder nach Hause kommen, dachte sie, er wird nie wieder in seinem Sessel sitzen, wir werden nie wieder miteinander reden, und ich werde nie wieder seine Hand halten können ... Es war die Endgültigkeit, die sie nicht zur Ruhe kommen ließ.
Es war zu spät, noch etwas zu unternehmen. Diese Möglichkeit hatte sie verpasst, als ihr Mann noch in dem anderen Krankenhaus lag. Sie machte sich die allergrößten Vorwürfe. Im Grunde war sie schuld. Im Grunde hatte sie ihren Mann auf dem Gewissen, weil sie nicht rechtzeitig reagiert hatte.
Warum habe ich nicht dafür gesorgt, dass er in ein anderes, besseres Krankenhaus verlegt wird, wo man sich auch um die Patienten kümmert? Warum habe ich im Innersten gehofft, dass ich mich irre und er doch nicht so schwer krank ist? Warum habe ich den Ärzten im anderen Krankenhaus geglaubt, es wäre nicht so schlimm, eigentlich harmlos ...
"Ein paar Tabletten, einige Wochen Schonung und Ihrem Mann geht es wieder besser. Lungenentzündung halt. Für ältere, geschwächte Menschen bei der kalten Jahreszeit nicht optimal. Sobald sich das Wetter bessert, sobald die Sonne scheint, dann wird es wieder aufwärtsgehen. Ihr Mann kann nach Hause, wir benötigen hier Platz für wirklich kranke Menschen."
"Kann es nicht doch ein Herzinfarkt sein", wagte sie nachzufragen, "oder zumindest eine Erkrankung am Herzen? Die Schmerzen in der linken Brust, im linken Arm und in der linken Schulter. Er bekommt doch keine Luft ... das ist doch eindeutig."
"Lassen Sie uns unsere Arbeit machen", die Ärztin wurde ungehalten, "wir haben die erforderlichen Untersuchungen gemacht. Ihr Mann hat nur eine leichte Lungenentzündung. Mit Antibiotika geht es ihm bald besser."
Sie hatte letztendlich der Ärztin geglaubt, bevor diese eilig in einem anderen Patientenzimmer verschwunden war. Im Nachhinein war sie sich nicht einmal sicher, ob diese Ärztin überhaupt wusste, um welchen Patienten es ging.
Sechs Wochen später lag ihr Mann in der Herzklinik in Duisburg. Die zwölfstündige OP war letztendlich vergeblich gewesen. Sie hatte die Entscheidung allein treffen müssen und zugestimmt: Die lebenserhaltenden Maßnahmen würden gleich abgeschaltet werden.
Sie erinnerte sich an die letzten Schritte, die sie und ihr Mann gemeinsam machten. Es war vor vierzehn Tagen auf dem Weg zum Krankenwagen. Die Sanitäter meinten, der Zustand ihres Mannes sei nicht so bedrohlich, als dass man ihn tragen müsste. Er war geschwächt und wankte. Sie hörte, wie ein Sanitäter dem anderen zuraunte: "Der ist ja jetzt schon angetrunken." Vanessa reagierte nicht auf diese beleidigende Äußerung. Sie stützte ihn. Allein schaffte er die wenigen Meter bis zum Krankenwagen nicht. Zwei Stunden nach seiner Einlieferu