Tod eines Unbekannten: Ein Fall für Assauer und Hammer - Band 3
Dienstag
"Geht's noch ein bisserl lauter?", hörte Gerstmann ihren Freund so heftig aus dem Schlafzimmer brüllen, dass er sogar den 2000 Watt starken Föhn übertönte, mit dem sie versuchte, ihr langes, schwarzes Haar trocken zu kriegen.
"Ja, es geht!", brüllte sie zurück und knallte die Badezimmertür zu, dass die Wände wackelten. Sie war stinkwütend auf Grimm. Statt wie verabredet am Abend, nach Redaktionsschluss, mit ihr in die Bouillabaisse essen zu gehen, war er erst am Morgen, kurz bevor ihr Wecker läutete, zu Hause aufgetaucht. "Hat wieder mal länger gedauert", war alles, was er gebrummelt hatte, als er - ungeduscht - zu ihr ins Bett schlüpfte.
Es kam zwar immer wieder mal vor, dass ihn eine Recherche länger beschäftigte als geplant, und sie machte keinen Wind darum. So war sein Job nun mal. Aber dass Peter es nicht für nötig befunden hatte, anzurufen und abzusagen, machte sie stocksauer. Glaubte der Kerl, sie ließe sich alles gefallen? Wer war sie überhaupt für ihn, dass er sie so behandelte? Und wer war sie, dass sie sich so behandeln ließ? Über die Wut auf ihren Freund kam der Frust über die Warteschleife hoch, die sie gezwungen sein würde, in Passau zu drehen. Sie hätte sich nie auf den Vorschlag ihres Onkels einlassen sollen. "Der Herzinfarkt von diesem Waldhauser ist deine Chance, abseits der Landeshauptstadt unauffällig ein paar Sprossen auf der Karriereleiter zu überspringen", hatte ihr Onkel, seines Zeichens bayerischer Innenminister, ihr den Job schmackhaft gemacht. "Übernimm die Vertretung, solange der im Krankenhaus liegt, und ich sorge dafür, dass du den Posten kriegst."
"Aber der kommt doch bestimmt wieder", hatte sie eingewandt. "Quatsch, der hat nur noch zwei Jahre bis zur Pension", hatte der Onkel ihr versichert. "Wirst sehen, der geht vom Kranken- schnurstracks in den Ruhestand. Du reißt in Passau zwei Jahre als jüngste Behördenleiterin Bayerns runter, und anschließend findet sich ein attraktiver Posten in München."
Jetzt hatte sie den Dreck im Schachterl! Waldhauser war wieder pumperlgsund und machte keinerlei Anstalten abzutreten. "Pech", hatte ihr Onkel am Telefon nur lakonisch dazu gesagt. "Du musst dich halt gedulden, bis sich eine andere Gelegenheit bietet." Der hatte gut reden! Er saß ja nicht auf dieser feuchten Insel zwischen Inn, Donau und Ilz.
Sie schaltete den Föhn aus und bürstete das Haar durch. "Das hast du jetzt davon, liebe Petra", sagte sie zu ihrem Spiegelbild. "Hockst in der tiefsten Provinz, hast einen Freund, der dich behandelt wie seinen Fiffi: Sitz! Platz! Kusch! Und du dumme Gans lässt es mit dir machen!" Wütend pfefferte sie die Bürste in die Schublade zurück, dass es schepperte. "Und an einem Tatort kommt dir's Frühstück hoch, und du stehst rum wie der Depp vom Dienst", schimpfte sie mit sich selbst, eingedenk des gestrigen Vormittags. Wenn sie schon Bilanz zog, dann gleich alles in einem Aufwasch!
Unterm Strich stand dick und fett: Scheiße!
Die Frage war, wie sie aus der Scheiße rauskam. Was, wenn ausgerechnet dieser Fiesling von Staatsanwalt ihr dabei den Steigbügel halten konnte?
"Was wollt's denn ihr schon hier in aller Herrgottsfrühe?", empfing die Erdmann Hammer und Assauer, als sie kurz nach acht bei ihr in der Gerichtsmedizin auftauchten. "Der Tote ist noch nicht richtig kalt, und ihr wollt schon meinen Bericht, oder was? Natürlich vollständig und mit einem roten Schleiferl drum, oder?"
"Wir wollen erst mal einen Kaffee", sagte Hammer ungeniert.
"Schenkt euch selber ein", brummte die Erdmann mit einer Kopfbewegung in Richtung der röchelnden Kaffeemaschine neben dem Waschbecken. Hammer griff sich zwei Haferl aus dem Unterschrank, schenkte ein, schüttete in jedes etwas Milch und drückte Assauer eines davon in die Hand.
"Wir haben immer noch keinen Schimmer, wer der Tote ist", gestand er der Erdmann sodann. "Und wir haben keine Ahnung, wo wir ansetzen so