Tod in München - Rachelust: Der erste Fall für Sonne und Litzka
Kapitel 1
Freitag, 7. März. 18.30 Uhr
Richard Graf von Kujawski wusste: Es war aus. Der Polizeibeamte, der ihm mit gezogener Waffe gegenüberstand, würde ihm in wenigen Augenblicken Handschellen anlegen und ihn abführen lassen. Er hatte seine Ehefrau mit ihrer besten Freundin betrogen - zwei Jahre lang. Und gleichzeitig hatte er ein Verhältnis mit dem Kindermädchen gehabt. Doch wegen dieser moralischen Fehltritte würde er nicht verhaftet werden. Graf von Kujawski stellte sein Whiskyglas auf den Mahagonitisch im Salon seiner Villa in Grünwald.
»Sie sind vorläufig festgenommen wegen des dringenden Tatverdachts, Ihre Geliebte Sonja Grunau sowie Ihr Kindermädchen Jennifer Hildebrandt ermordet zu haben«, sagte Oberinspektor Diether Grieshaber und richtete seine Waffe auf den überführten Täter.
Selbst in dieser aussichtslosen Situation bewahrte der Graf seine Würde. Er stand aufrecht und stramm und verzog keine Miene, während der Kripobeamte ihm vorhielt: »Sie sind ein Ehebrecher und Sie sind ein kaltblütiger Mörder. Sie haben den Doppelmord bis ins Detail geplant - so exakt, wie Sie in den vergangenen vierzig Jahren Ihre erfolgreichen Immobiliengeschäfte getätigt haben. Vielleicht sind Sie ein perfekter Makler, Graf von Kujawski, der durch den Kauf und Verkauf von Nobelvillen hier in Grünwald ein eindrucksvolles Vermögen angehäuft hat. Vielleicht sind Sie auch ein perfekter Liebhaber, der nicht nur aufgrund seines Vermögens attraktiv ist. Aber ein perfekter Mörder sind Sie nicht. Die Beweise sind erdrückend! Legen Sie ein Geständnis ab, das Spiel ist aus!«
»Sie mussten sterben.« Graf von Kujawski schien mit sich selbst zu sprechen und blickte gedankenverloren aus dem Fenster. »Diese Flittchen haben mein Leben ruiniert. Zerstört. Sie haben den Tod verdient.«
»Tod durch Mord?«, flüsterte der Oberinspektor, wobei er nach dem Wort »Tod« eine dramaturgische Atempause einlegte und seine Waffe noch einmal bedrohlich auf den Täter richtete.
»Cut! Kannst du die Knarre nicht ein bisschen cooler halten?«, ertönte plötzlich eine Stimme aus dem Studiolautsprecher. Und der Mann mit der Pistole in der Hand war nicht mehr der bekannte Oberinspektor, sondern der Krimidarsteller Alfons Waldbauer.
Er ließ die Waffe sinken und erwiderte: »Tomasek, wir drehen hier keinen 'Schimanski'. Und wie ein Polizeibeamter bei einer Festnahme seine Pistole zu halten hat, weiß ich ja wohl besser als du. Immerhin gibt es dafür Vorschriften.«
Alfons Waldbauer war bekannt dafür, seine Hauptrolle in der populären Fernsehserie »Der Isarbulle« so realistisch wie möglich zu verkörpern. Bis ins letzte Detail. Dafür las er seit Jahren einschlägige Fachliteratur und pflegte innige Kontakte zu echten Kripo-Beamten. Und die hatten ihm gezeigt, wie eine Polizeiwaffe korrekt gehalten werden muss.
»Wir drehen hier aber keinen Dokumentarfilm über die Polizeiarbeit im 21. Jahrhundert«, rief der Regisseur sichtlich genervt zurück. »Dies wird ein Krimi, der am Freitagabend mindestens vier Millionen Zuschauer vor die Glotze locken muss. Wenn das nicht gelingt, kannst du dir die letzten 260 Folgen des 'Isarbullen' künftig um Mitternacht als Wiederholungen im Pay-TV anschauen, denn dann fliegen wir aus dem Abendprogramm. Die Leute wollen Action sehen!«
Tomasek übertrieb. Niemand beim Sender dachte daran, den »Isarbullen« abzusetzen. Aber der Quotendruck hatte auch vor den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten nicht Halt gemacht. Und die Zeiten, in denen der »Isarbulle« ein richtiger Straßenfeger gewesen war und über zehn Millionen Zuschauer gehabt hatte, waren längst vorbei. Mit der Serie war auch ihr Hauptdarsteller in die Jahre gekommen. Alfons Waldbauer wäre als echter Kriminalbeamter bereits vor drei Jahren pensioniert worden. Doch beim Fernsehen bestimmen die Zuschauer, wann Schluss ist. Und noch liebten sie den »Isarbullen«, der seit zweiundzwanzig Jahren mit einer Aufklärungsqu