Tote Oma auf Eis
Kapitel 1
Und wieder ist es Sommer auf Eiderstedt in Nordfriesland. Die Wäsche flattert frisch gewaschen im Wind, Schönwetterwolken ziehen vom Meer in Richtung Landesinnere, der Mais steht hoch, und die Schafe grasen träge auf den Wiesen.
»Moin«, ruft Helge ihnen zu.
Mit frisch geputzten Schuhen sitzt er auf seinem froschgrünen Bonanzafahrrad und fährt pfeifend am Deich entlang. Der Fuchsschwanz, der an einer langen Stange befestigt ist, wackelt fröhlich hin und her. Er ist auf dem Weg zu Friedje und will sich von ihm eine Fliege leihen. Nicht so eine, die brummt, fürs Fliegenfangen oder so, wäre ja auch blöd, denn die gibt's wegen der Kühe mehr als genug, sondern eine, die man sich um den Hals bindet. Für schön eben, und so etwas besitzt er nicht, die braucht man nur, wenn geheiratet wird, und das wurde hier schon lange nicht mehr, in Osterhever. Aber nun ist es endlich wieder so weit.
Albert Werner, der langjährige Freund von Oma Else und Doktor vom Norderheverkoog, hat ihr nämlich einen Antrag gemacht. So, wie sich das gehört, mit blumigen Worten, und dabei war er sogar in die Knie gegangen. Und das war gar nicht so einfach gewesen, denn der Doktor ist nicht mehr der Jüngste. Für Else war der Antrag ziemlich unerwartet gekommen.
Es war ein sonniger Samstag gewesen. In der Pension »Zur goldenen Möwe« waren alle Gäste ausgeflogen, denn das gute Wetter lud zum Fahrradfahren ein. Oma Else war aus der Küche gekommen, um sich eine Pause zu gönnen. Ihr stand der Sinn nach ein wenig Ausruhen, mit Kaffee, einem Butter-Friesencroissant und den Neuigkeiten aus der Koogzeitung. Da sah sie ihn hocken, ihren Albert. Er empfing sie mit einem breiten Grinsen, geöffneten Armen und den Worten: »Durch dick und dünn will ich mit dir gehen.«
Für einen Moment hatte Else geglaubt, es wäre eine Anspielung auf das Croissant, aber das war natürlich völliger Unsinn. Dann folgte von Albert eine Liebeserklärung der besonderen Art. Er holte eine Postkarte aus seiner Jackentasche hervor, auf der ein Segelboot abgebildet war, und erklärte Else strahlend: »Liebste Else, dieses Boot soll den Hafen unserer Ehe darstellen, und wenn du bereit dazu bist, dann würde ich gerne beim Segeln an deiner Seite sein.« Er machte eine Pause und lächelte sie erwartungsvoll an.
Wie süß von ihm, dachte Else, schaute aber wohl eher wie ein überraschtes Friesenschaf, so, als ob Helge unerwartet mit seinem Bonanzafahrrad vorbeigerast käme.
Deswegen fügte Albert noch hinzu: »Wenn du möchtest, segle ich mit dir bis ans Ende der Welt. Aber zurückkommen möchte ich schon. Am schönsten ist es doch bei uns, hier an der Nordsee.«
Einen Nordfriesen soll man nicht verpflanzen, nö, auch nicht der Liebe wegen. Aber das sieht Oma Else zum Glück genauso. Nichts und niemand würde sie hier so schnell wegbringen. Da müsste schon etwas Todernstes passieren.
Dann hatte es Albert auf den Punkt gebracht. »Also, wenn du mich willst, Else, dann kannst du mich haben, so, wie ich bin, und zwar für immer.«
Else kamen vor Rührung die Tränen, aber bevor sie ihr schneeweißes Taschentuch aus der Küchenschürze ziehen konnte, fügte der Doktor noch hinzu: »Du weißt, Else«, er zwinkerte dabei, »an mir ist nix mehr neu. Meine Gelenke schmerzen, und ich bin leicht übergewichtig. Aber Spaß haben wir auch so miteinander, das weißt du ja.« Noch einmal zwinkerte er ihr zu, diesmal mit dem anderen Auge.
Else lächelte glücklich. So viele Worte war sie von ihm gar nicht gewohnt.
»Und?«, fragte er voller Ungeduld.
Die Frage konnte sie eindeutig mit einem »Ja« beantworten. Albert war begeistert und wollte sie auch sogleich in seine Arme nehmen, doch dazu musste Else ihm erst einmal auf die Beine helfen. Als sie das beide gemeinsam geschafft hatten, entwich ihnen gleichzeitig ein »Uff«.
»Ach, mit dir wird es man nich' so schnell langweilig«, lachte Else.
»Mit dir auch nich'.«
Da man als Frie