Starke Worte - Einfach eine gute Rede halten
17Was Sie über Rede und Rhetorik wissen sollten
Die Gabe der Rede
Wie leicht fällt es Ihnen, eine Rede zu halten? Es gibt Naturtalente, die schütteln die passenden Worte einfach so aus dem Ärmel. Eine Kollegin von mir können Sie zu jeder Tages- und Nachtzeit auf die Bühne stellen, sie ist in der Lage, sofort loszureden. Über jedes beliebige Thema, versteht sich. Oder nehmen wir meinen Schwiegervater, Bürgermeister einer kleinen Gemeinde im Taunus: Der muss zu allen möglichen Anlässen Reden und Ansprachen halten. Kurz vorher weiß er meist nur ungefähr, was er sagen wird. Das beunruhigt ihn jedoch überhaupt nicht. Im Gegenteil, er mag das, denn dadurch hält er sich bis zuletzt alle Türen offen. Er verlässt sich darauf, dass ihm die angemessenen Worte von allein zufliegen. Und das tun sie auch jedes Mal.
Anderen fällt die Sache deutlich schwerer. Sie müssen sich vorbereiten, Sätze zurechtlegen und gründlich überlegen, was sie sagen. Auch und gerade, wenn es locker und lässig wirken soll. Sie reden lieber mit Manuskript als ohne. Sie können sich schriftlich besser ausdrücken als mündlich - zumindest wenn sie allein vor einer Gruppe oder gar auf einer Bühne stehen. Sie feilen lieber vorher an ihren Worten, als während der Rede um die passende Formulierung zu ringen. Sie müssen trainieren, damit ihre Rede gelingt. Zu diesen Leuten gehöre auch ich. Selbstverständlich bin ich überzeugt, dass wir nicht die schlechteren Redner sind. Oder anders gesagt: Dass wir nicht die schlechteren Reden halten. Wir nehmen nur einen anderen, einen etwas ausgedehnteren Weg, um unser Ziel zu erreichen.
18Die spontanen Reden des Mark Twain
Der Schriftsteller Mark Twain war nicht nur mit seinen Büchern sehr erfolgreich, er war auch ein gefragter Vortragsredner. Tatsächlich soll er mit seinen Auftritten mehr verdient haben als mit dem Schreiben. Dabei gingen ihm die Vorträge keineswegs leicht von der Hand. "Es gibt zwei Arten von Rednern", meinte er, "solche, die nervös sind, und solche, die lügen." Über seine spontanen Reden gab er bekannt: "Um einen Zufall herbeizuführen, bedarf es vieler Vorbereitung. Um eine gut improvisierte Drei-Minuten-Rede zu halten, benötige ich beispielsweise drei Tage."
Und dann gibt es noch eine dritte Gruppe. Das sind die Menschen, für die es regelrecht eine Qual ist, vor anderen zu sprechen. Sie haben nicht Lampenfieber, sondern blanke Angst. Mit anderen ein Gespräch führen? Kein Problem. In einer Gruppe diskutieren und den eigenen Standpunkt darlegen? Das bringt sie nicht in Verlegenheit. Aber aufstehen und vor allen anderen eine Rede oder einen Vortrag halten? Das erfüllt sie mit Entsetzen. Manche bekommen Panikattacken, andere fühlen sich gelähmt. Es gibt welche, die starke Beruhigungsmittel einnehmen, um eine fünfminütige Präsentation vor den eigenen Leuten durchzustehen. Dabei merken die Zuhörer manchmal gar nicht, unter welcher Anspannung der Vortragende steht. Vielleicht meinen sie sogar: "Ach, die Frau Goldbach, das macht die aber gut. So munter und doch souverän." Unterdessen durchlebt ihre Kollegin gerade innere Höllenqualen und sagt sich: "Bring es einfach irgendwie hinter dich."
Man muss es dick unterstreichen: Auch in der dritten Gruppe gibt es gute Redner. Redner, die etwas mitzuteilen haben und die dafür große Opfer auf sich nehmen. Was ihnen das Leben so schwer macht, ist auch gar nicht mangelnde Begabung, sondern ihre tief sitzende Redeangst, die durch einen Hang zum Perfektionismus häufig noch verstärkt wird. Sollten Sie zu dieser Gruppe gehören: Gegen Redeangst lässt sich sehr viel unternehmen. Das Thema wird uns das Buch über begleiten.
Nehmen Sie den längeren Weg
Herausragende Reden werden so gut wie nie wirklich spontan gehalten. Auch von denen nicht, denen das freie Sprechen leichtfällt und die gerne improvisieren. Eine gründliche