GOTT
ERSTER AKT
Der Deutsche Ethikrat tagt. Die Vorsitzende, Gärtner, Brandt, Keller, Biegler, Litten, Sperling und Thiel sind auf der Bühne. Auf den Tischen stehen Mikrofone. Vor allen Beteiligten liegen Akten, Laptops und Tablets.
VORSITZENDE
Direkt zum Publikum.
Meine Damen und Herren, ich eröffne diese Sitzung des Ethikrates, sie ist öffentlich. Ganz herzlichen Dank, dass Sie heute gekommen sind. Der Rat ist dieses Mal auf eigenen Entschluss tätig geworden. Es geht um folgenden Fall: Richard Gärtner, den ich hier begrüße,
Die Vorsitzende nickt Gärtner zu.
hat beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte eine tödliche Dosis Natrium-Pentobarbital beantragt. Das ist ein Medikament, das in anderen Ländern von Sterbehilfeorganisationen eingesetzt wird. Herr Gärtner erklärte, er wolle sich das Leben nehmen. Das Außergewöhnliche an der Situation ist, dass Herr Gärtner nicht unheilbar krank ist oder an Schmerzen leidet, sondern dass er völlig gesund ist. Das Bundesinstitut lehnte die Herausgabe des Medikaments ab. Daraufhin wandte sich Herr Gärtner an seine Hausärztin und bat sie um Beihilfe bei seinem Suizid. Soweit der Sachverhalt. Nun, meine Damen und Herren, die Frage, die wir uns vorgelegt haben, klingt also recht einfach: Ein Mensch möchte nicht mehr weiterleben und bittet um ärztliche Hilfe, sich zu töten. Vor kurzem hat das Bundesverfassungsgericht dazu ein Grundsatzurteil erlassen, das die Rechte von Menschen wie Herrn Gärtner garantiert. Wir haben damit heute eine sehr liberale Regelung der Sterbehilfe. Die gesellschaftliche Diskussion wird trotzdem nicht beendet sein - im Gegenteil. Die rechtliche Frage, ob ein Arzt einem Menschen beim Selbstmord helfen darf, ist zwar geklärt. Die ethische Frage aber bleibt. Sie lautet: Soll ein Arzt einem Menschen dabei helfen? Über sie wollen wir heute sprechen.
BIEGLER
Suizid.
VORSITZENDE
Wie bitte?
BIEGLER
Wir sollten »Suizid« sagen, nicht »Selbstmord«. Sich selbst zu töten ist kein Mord.
VORSITZENDE
Gut. Richtig. Wie also ist das Problem zu entscheiden? Soll ein Arzt beim Suizid helfen? Wäre das ethisch richtig? Darüber werden wir heute diskutieren. Wir haben dazu Herrn Gärtner mit seinem Anwalt, Herrn Biegler, und seiner Hausärztin eingeladen. Wir haben auch drei Sachverständige gebeten, uns bei unserer Entscheidung zu unterstützen:
Nickt den Genannten jeweils zu.
Frau Professorin Litten von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Freien Universität, Herr Professor Sperling von der Bundesärztekammer und Herr Bischof Thiel.
Zum Publikum.
Meine Damen und Herren, Sie sind als Mitglieder des Ethikrates unabhängig. Sie werden bei der späteren Abstimmung ausschließlich dem folgen, was Sie für vernünftig und richtig halten. Gibt es noch Fragen oder Anregungen?
Die Vorsitzende sieht ins Publikum, dann zu Brandt, Gärtner und Biegler, die alle verneinend den Kopf schütteln.
Danke. Dann beginnen wir jetzt.
Herr Gärtner, darf ich Sie hier nach vorne bitten?
Gärtner geht nach vorne und setzt sich.
VORSITZENDE
Ich danke Ihnen, dass Sie Ihren Fall öffentlich gemacht haben und uns hier Auskunft geben.
GÄRTNER
Eigentlich will ich das nicht.
VORSITZENDE
Verzeihen Sie: Was wollen Sie nicht?
GÄRTNER
Auskunft geben.
VORSITZENDE
Das verstehe ich. Aber wir wollen Ihre Situation ja begreifen. Also, Herr Gärtner, können Sie uns bitte schildern, worum es Ihnen genau geht?
GÄRTNER
Ich will sterben.
VORSITZENDE
Warum? Sie sind doch nicht krank, soweit ich weiß?
GÄRTNER
Bis auf so e