Blau wie das Glück
1 Clare Am ersten Tag des Septembers Larkin humpelte durch das Haus, in dem es still war wie im Grab. Die Luft duftete süß nach den Blumen, mit denen sie am Abend zuvor die Räume für das Handfasting geschmückt hatten. Das Blut war aufgewischt worden; die Waffen gesäubert. Sie hatten mit perlendem Wein auf Hoyt und Glenna angestoßen und Kuchen gegessen. Aber hinter dem Lächeln lauerte der Schrecken des nächtlichen Kampfes. Ein schlechter Gast. Heute wollten sie sich ausruhen und weiter vorbereiten. Es fiel ihm schwer, nicht ungeduldig zu werden. Nun, gestern Abend hatten sie zumindest gekämpft, dachte er und presste die Hand an seinen Oberschenkel, der von einer Pfeilwunde schmerzte. Er konnte sich rühmen, zahlreiche Dämonen niedergestreckt zu haben. In der Küche öffnete er den Kühlschrank und nahm eine Flasche Coke heraus. Er hatte Geschmack daran gefunden und zog es mittlerweile dem Morgentee vor. Staunend betrachtete er das klug ausgedachte Gefäß – die Flasche war so glatt, durchsichtig und fest. Und das, was darin war – es würde ihm fehlen, wenn sie wieder nach Geall zurückkehrten. Er musste zugeben, dass er seiner Kusine Moira nicht geglaubt hatte, als sie von Göttern und Dämonen, von einem Krieg für die Welten gesprochen hatte. Er war an jenem traurigen Tag, an dem sie ihre Mutter beerdigt hatten, nur mit ihr gegangen, um sie zu beschützen. Sie war nicht nur eine Blutsverwandte, sondern auch eine Freundin und die zukünftige Königin von Geall. Aber jedes Wort, das sie, nur wenige Schritte vom Grab ihrer Mutter entfernt, zu ihm gesprochen hatte, war die reine Wahrheit gewesen. Sie waren zum Tanzplatz gegangen und hatten sich in die Mitte dieses Kreises gestellt. Und dann hatte sich alles verändert. Und nicht nur das Wo und das Wann, dachte er, als er die Flasche öffnete und einen Schluck trank, sondern einfach alles. Im einen Moment hatte er in Geall in der Nachmittagssonne gestanden, und im nächsten Augenblick war nur noch Licht, Wind und ein Dröhnen gewesen. Und plötzlich herrschte Nacht, und sie befanden sich in Irland – einem Land, das Larkin immer für ein Märchen gehalten hatte. Er hatte nicht an Märchen und Monster geglaubt und der Magie immer skeptisch gegenübergestanden, obwohl er selber eine magische Gabe besaß. Aber es gab Magie, das musste er jetzt eingestehen. Und auch Irland gab es ganz offensichtlich, ebenso Monster. Diese Bestien hatten sie angegriffen – waren mit ihren roten Augen, den scharfen Reißzähnen aus der Dunkelheit des Waldes über sie hergefallen. In Gestalt von Menschen, dachte er, aber es waren keine Menschen. Vampire. Sie nährten sich von den Menschen. Und jetzt hatten sie sich um ihre Königin geschart, um sie alle zu vernichten. Er war hier, um sie aufzuhalten, koste es, was es wolle. Er war hier im Auftrag der Götter, um die Welten der Menschen zu retten. Müßig kratzte er sich über die heilende Stelle am Oberschenkel. Man konnte wohl kaum von ihm erwarten, dass er die Menschheit mit leerem Magen rettete. Er schnitt sich ein großes Stück Kuchen ab und leckte sich den Zuckerguss von den Fingern. Bis jetzt war er mit List und Tücke um Glennas Kochunterricht herumgekommen. Er aß schrecklich gerne, aber das Essen selbst zuzubereiten kam für ihn nicht in Frage. Er war ein großer, schlaksiger Mann mit einer dicken, blonden Haarmähne. Seine goldfarbenen Augen standen ein wenig schräg, wie bei seiner Kusine, und blickten fast genauso scharf. Sein breiter, voller Mund verzog sich bereitwillig zum Lächeln, er wa