British Knight
1. KAPITEL
VIOLET
Männer und Cocktails gehörten zu den Dingen, mit denen ich mir die Zeit am liebsten vertrieb, und ich sorgte dafür, dass ich jeden Tag viel davon bekam - entweder vom einen oder vom anderen. "Prost." Ich hob das Glas und stieß mit zwei der Menschen an, die ich auf dieser Welt am meisten schätzte - meine Schwester Scarlett und ihre Schwägerin Darcy. Wir befanden uns in einer schicken Bar in SoHo, in der ein Drink ungefähr doppelt so viel kostet wie ein Auto. Es war Darcys erster Abend in New York City, und ich dachte nicht daran, irgendetwas zu bezahlen, denn einen Job, zu dem ich am Tag danach würde erscheinen müssen, hatte ich nicht mehr. Ich bewunderte Darcy und bekam sie viel zu selten zu Gesicht, weil sie in England lebte, darum würde ich mich an diesem Abend ausschließlich auf das Positive konzentrieren. Vielleicht konnte ich dafür sorgen, dass sie Sex als Willkommensgeschenk bekam? Sex sorgte bei mir immer für gute Laune. Bestimmt würde ich jemanden finden, mit dem ich nach Hause gehen konnte. Ich musste die schreckliche Woche vergessen, die hinter mir lag, und dafür würde eine meiner Lieblingsbeschäftigungen vermutlich nicht ausreichen. Ich brauchte Alkohol und einen Mann.
"Gibt es in England eigentlich einen Mann, den du besonders magst?", fragte Scarlett jetzt Darcy. "Einen, bei dem du schwach wirst?"
Ich stöhnte. "Sie ist doch nicht Aschenputtel. Sie ist eine clevere, selbstsichere Frau und kann garantiert keinen Mann gebrauchen, der sie schwach macht. Frag sie lieber mal, ob sie in letzter Zeit guten Sex gehabt hat."
"Ich weiß, dass sie clever und selbstbewusst ist, aber einen Ritter in glänzender Rüstung kann man doch immer gebrauchen", erwiderte Scarlett.
"Ach, ich wünschte, ich hätte eine Schwester", sagte Darcy und lächelte uns an.
Scarlett und ich gerieten häufig aneinander, weil wir ausgesprochen gegensätzlich waren. Sie war zum zweiten Mal verheiratet. Ich hingegen verspürte nicht den Wunsch, mich an einen einzigen Mann zu binden. Scarlett machte Karriere, während ich nicht mal in der Lage war, einen Job als Kellnerin zu behalten. Sie hatte zwei Kinder, und ich durfte in meiner Wohnung nicht mal eine Katze halten.
Sie würde mich umbringen, wenn sie herausfand, dass ich entlassen worden war.
Aber sie war meine Schwester, und ich liebte sie.
"Eine Schwester zu haben, ist toll", bestätigte Scarlett, "ich wünschte nur, sie würde öfter auf mich hören."
"Finde dich endlich damit ab, dass nicht jede ein Haus in Connecticut, einen perfekten Ehemann und zwei perfekte, wenn auch sehr laute Kinder haben will." Suchend blickte ich mich im Raum um. Was ich mir wünschte, war wilder Sex mit jemandem, der mich vergessen ließ, was am nächsten Tag passieren oder eben nicht passieren würde. Aber bislang war mir niemand ins Auge gefallen.
"Ich will doch nur, dass du glücklich bist", sagte Scarlett und legte den Kopf schief.
"Na, dann sind wir ja schon zu zweit." Das Mitleid meiner Schwester war das Letzte, was ich brauchte. Vor allem an einem Tag wie diesem. "Okay, was hast du in New York alles vor?", fragte ich Darcy. "Wenn du willst, klappere ich mit dir die typischen Sehenswürdigkeiten ab."
"Musst du denn nicht arbeiten?", fragte Scarlett.
Das Problem an der Nähe zwischen meiner Schwester und mir bestand darin, dass wir zwar völlig unterschiedlich waren, einander aber dennoch nichts verheimlichen konnten.
"Doch, aber ich kann mir die Arbeitszeit so einteilen, wie es mir passt. Ich möchte, dass du dich gut amüsierst, Darcy." Ich trank einen weiteren Schluck Cocktail und mied den durchdringenden Blick meiner Schwester.
"Oh, Violet! Du hast doch nicht schon wieder deinen Job geschmissen, oder?"
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Scarlett Kopf und Schultern sinken ließ.
"Nicht direkt", sagte ich.
Ich wollte ihren enttäus