Der Preis, den man zahlt
2 SUSPIROS DE ESPAÑA
Eine Militärkapelle spielte Suspiros de España , als Lorenzo Falcó den Salon betrat. Der überdachte Innenhof des Gesellschaftshauses, eines Palastes aus dem sechzehnten Jahrhundert, erstrahlte in einem so verschwenderischen Glanz, dass es die Sparsamkeitspredigten der nationalen Führer Lügen strafte. Wie erwartet, sah er viele Uniformen, Lederzeug, gewichste Stiefel und polierte, kokett am Gürtel hängende Pistolentaschen. Es handelte sich größtenteils um höhere Dienstgrade, vom Hauptmann aufwärts, und fast alle trugen sie Abzeichen des Generalstabs oder der Intendantur, doch waren auch die eine oder andere Armschlinge und frisch verliehene, auf dem Schlachtfeld errungene Orden zu sehen, denn die Zeitungen waren in jenen Zeiten voll von Kriegsnachrichten, und die Kämpfe um Madrid tobten mit extremer Härte. Dennoch schien das alles, trotz der Insignien, der Uniformen und der schneidigen Gesten der Anwesenden, viel zu weit weg von der Front. Die Damen waren zwar sittsam, was bei den Nationalen zum guten Ton gehörte - die Frau als zartes Wesen, Stütze des Kriegers, Braut, Gattin und Mutter -, aber elegant und nach den Vorgaben der Modezeitschriften gekleidet, und manch einer gelang es sogar, die neuen Moralvorstellungen mit den Reizen ihres Geschlechtes zu kombinieren. Was die Männer betraf, so sah man neben Uniformen etliche mehr oder weniger korrekte Smokings, viele dunkle Anzüge, einige davon mit dem blauen Hemd der Falange und mit schwarzem Schlips. Man unterhielt sich lebhaft, Kellner in kurzen weißen Jacken gingen mit Tabletts voller Getränke umher, und im hinteren Teil des Saales, gegenüber dem Orchester, gab es eine Bartheke. Niemand tanzte. Falcó grüßte zerstreut den einen oder anderen Bekannten, ließ den Blick kreisen, blieb an der breiten, mit dem gelb-roten Banner geschmückten Treppe stehen - die Flagge war wenige Wochen zuvor durch die Nationalen zurückerobert und von dem violetten Streifen der Republik befreit worden - und wollte sich eben eine Zigarette anzünden.
"Was machst du denn hier, Lorenzo? Ich dachte, du wärst im Ausland."
Er hob den Blick, noch ehe er das Zigarettenetui öffnete. Vor ihm stand ein Paar. Der Mann hieß Jaime Gorguel und trug die Sterne eines Hauptmannes am Ärmelaufschlag und die Infanterieabzeichen am Revers seines Waffenrocks. Die Frau war eine ihm unbekannte schmale Brünette in silbrig schimmerndem Kaschmirsatin, einem edlen, teuren Kleid, urteilte Falcó, wenn ihn sein Auge und seine Erfahrung nicht trogen.
"Und ich dachte, du wärst an der Front", erwiderte er.
"Da komme ich her." Der Offizier wies auf seine Schläfe, wo unter dem mit Brillantine frisierten Haar ein blauer Fleck zu erkennen war. "Gehirnerschütterung, hieß es."
"Oje, muss man sich Sorgen machen?"
"Ach, nein, nur ein Querschläger. Zum Glück abgefedert durch die Mütze. In Somosierra. Sie haben mir eine Woche Genesungsurlaub gegeben. Übermorgen rücke ich wieder ein."
"Wie geht es denn voran?"
"Ausgezeichnet. Wir stehen etwa zwanzig Kilometer vor Madrid und gewinnen weiter an Boden. Die rote Regierung hat die Hauptstadt anscheinend verlassen und sich nach Valencia zurückgezogen. Mit etwas Glück ist bis Weihnachten alles vorbei. Kennst du meine Schwägerin Chesca?"
Ein Hauch von Amok. Ein teures, edles Parfüm, das sicher nicht leicht aufzutreiben war. Wahnsinn des Orients nannten es die Magazine. Falcó sah sich die Frau genauer an: helle Augen, große Nase, eine harmonische Gestalt. Wie ein Modell des Malers Romero de Torres. Dass ihr Aussehen vage an eine Gitana erinnerte, tat ihrem Stil keinen Abbruch, sondern betonte ihn eher noch. Und sie war überdurchschnittlich hübsch. Auffallend hübsch.
"Das Vergnügen hatte ich noch nicht."
"Nun ... Das ist Lorenzo Falcó, ein alter Schulfreund