Die Keltenfürstin
Von der Heuneburg bis zum Hinterrhein
Madrisa streifte die Ringe von den Armen und Beinen, Bonina nahm ihr das Collier ab, und Cat löste die Schnüre am Bronzegürtel. »Nun mach's doch nicht so spannend! Wie ist es gelaufen, Madrisa? Was hast du zu Tamagur gesagt?«
Behutsam legte Madrisa den Stirnreif mit den beiden Schläfenringen ins Kästchen, schüttelte die Haare nach hinten und setzte sich auf einen Schemel. Hatte das Gesicht ihres Bruders, des Mörders, vor Augen und sagte: »Zuerst schickte ich die Wachen aus dem Raum. Das gefiel ihm nicht, aber ich meinte nur, 'Glaub mir, es ist besser für dich, mein lieber Bruder'. Das machte ihm zu schaffen. Er ist sich darüber im Klaren, dass ich ihn ohne Weiteres umbringen könnte: vergiften, verfluchen oder beides zusammen. Er hatte Todesangst. Konnte seine Hände nicht stillhalten. Wechselte ständig die Position, Schweiß stand ihm auf der Stirn, seine Augen irrten in alle Richtungen.«
»Und dann?«, hauchte Cat.
»Dann spielte ich mit ihm. Plauderte übers Wetter und die Ernte und über sein Pferd. Über den Wasserstand der Donau und über die Händler. Die Menge und Qualität ihrer Waren. Welchen Gegenwert sie von den Heuneburgern erwarten. Nebenbei erfuhr ich, welcher Händler in den nächsten Tagen eintreffen wird.«
»Nämlich?«
»Ari.« Madrisa machte eine kurze, bedeutungsvolle Pause. »Er kommt aus dem Norden.«
Bonina reichte Madrisa einen Becher Wasser. »Ari. Der Grieche, der mit Bernstein handelt.«
»Richtig. Derjenige, der den rohen Bernstein über das Gebirge trägt, wo er in einer berühmten Werkstatt zu Schmuck«, Madrisa berührte die Fibeln an ihrer linken und rechten Schulter, »verarbeitet wird.«
»Den ihm die Reichen im Süden aus den Händen reißen«, ergänzte Bonina. »Oder du, meine Liebe, denn ganz besonders schöne Stücke trägt Ari übers Gebirge zurück. Was bedeutet, dass er den gefährlichen Weg schon oft gemeistert hat.« Die beiden Frauen sahen sich an.
Cat wurde ungeduldig. »Und? Möchtest du ein neues Schmuckstück, Madrisa?«
Die ging nicht auf die Frage ein. »Ein Händler will Felle aus dem Norden gegen einen Lastkahn tauschen. Ich riet meinem Bruder, nur die Weißen mit den schwarzen Schwanztupfen zu nehmen.«
»Die vom Hermelin.« Bonina runzelte die Stirn. »Sie sind selten. Hat er denn genügend?«
»Das zu fragen hat mein Bruder vergessen.« Madrisa schüttelte den Kopf. »O ihr Götter! Wie blind war ich gewesen! Ich habe nicht gesehen, was für ein Dummkopf er doch ist - er kann nicht mal handeln. Jedenfalls hat er sich während des Gesprächs etwas beruhigt. Ich bin dann aufgestanden und habe mich höflich verabschiedet. An der Tür habe ich ihm über die Schulter zugeworfen: 'Ach, fast hätte ich's vergessen. Ich werde kurze Zeit weg sein. Rango kümmert sich um meine Stute, Cat wird in meinem Haus wohnen. Sollte ihnen etwas zustoßen, wird Bonina in meinem Sinne handeln. Du weißt: Auge um Auge. Zahn um Zahn. Vor allem aber: Leben für Leben. Vergiss das nicht; im Übrigen unterhalten wir uns wieder nach meiner Rückkehr.'«
Bonina nickte zustimmend. »Das hast du gut gemacht. Hast ihn im Unklaren gelassen, weshalb du in deiner ganzen Herrlichkeit zu ihm gekommen bist. In Angst und Schrecken wird er seine Tage zubringen. Und erst die Nächte! Ich möchte nicht in seiner Haut stecken.«
»Das habe ich bezweckt, aber ich will mehr.«
Cat riss die Augen auf. »Wirklich? Was denn?«
»Cat, genau das wird mein Bruder herausfinden wollen. An Bonina wagt er sich nicht heran, aber du wärst eine leichte Beute. Für dich ist's besser, wenn du nichts weißt.«
Cat war nicht auf den Kopf gefallen. »Du hast Ari ...«
Madrisa schnellte hoch und baute sich mit vor Wut sprühenden Augen vor Cat auf. »Weder ich noch Bonina haben den Namen je erwähnt! Hüte deine Zunge, Cat, du weißt doch, wie grausam mein Bruder sein kann. Wenn er eine Information haben will, wird er sie aus