Die Liebe trägt Giraffenpulli
1. Kapitel
Von einer Gazelle in den Bauch getreten zu werden war grundsätzlich keine schöne Erfahrung. Besonders unschön war es allerdings, wenn die Treterei um halb zwei Uhr nachts stattfand.
Carol Lund starrte Bronwen an. Die Gazelle starrte ungerührt zurück.
»Kein Grund, sich so aufzuführen, junge Dame«, sagte Carol zu ihr. »Ich bin nicht diejenige, die unbedingt auf irgendwelchen Felsvorsprüngen herumspazieren wollte. Und ich bin auch nicht diejenige, die sich dabei das Bein furchtbar aufgeschürft hat. Trotzdem stehe ich jetzt hier, mitten in der Nacht, um zu überprüfen, ob sich die Wunde entzündet hat.«
Die Gazelle stampfte einmal mit den Vorderhufen auf und drehte Carol dann den Hintern zu. Offenbar war Bronwen weder von dieser Rede noch von Carols nächtlichem Einsatz besonders beeindruckt.
»Ja, das sagst du jetzt«, murmelte Carol. »Aber warten wir mal ab, bis es Zeit für deine Fütterung ist. Dann liebst du mich plötzlich wieder heiß und innig. Du bist ganz schön wankelmütig, weißt du das eigentlich?«
Sie begann, ihre Utensilien einzupacken. Die Wunde an Bronwens Bein schien gut zu heilen. Mit etwas Glück würden weitere nächtliche Kontrollen nicht nötig sein. Dann konnte Carol morgen Nacht in ihrem Bett liegen bleiben und endlich den versäumten Schlaf nachholen.
Sie schloss die Tür des Gazellen-Stalls hinter sich zu und ging zu ihrem Jeep. Die Nacht war kühl und klar. Am Himmel funkelten Millionen von Sternen. Natürlich wäre es ihr lieber gewesen, Bronwen hätte sich nicht verletzt und sie beide hätten die Nacht durchschlafen können. Aber wenn man schon aufstehen musste, dann war so ein perfekter Sternenhimmel zugegebenermaßen eine ziemlich gute Entschädigung. Der Trick war, nicht zum Horizont zu schauen und nicht auf die genaue Position der Sternbilder zu achten. Dann konnte man sich nämlich einbilden, irgendwo auf der Welt zu sein. Der Nachthimmel war schließlich überall zu sehen.
Ja, sicher. Es gab Unterschiede zwischen den verschiedenen Hemisphären. Und die Jahreszeiten spielten ebenfalls eine Rolle. Trotzdem ... die Sterne waren immer und überall einfach wundervoll.
Sie stieg in den Jeep und machte sich auf den Heimweg. Doch kurz bevor sie den kleinen Bungalow erreichte, in dem sie wohnte, fuhr sie auf den Randstreifen und hielt an. Sie schaltete den Motor aus und löschte das Licht. Dann stieg sie aus, setzte sich auf den Boden und gab sich ganz dem Anblick des nächtlichen Himmels hin.
Es war Oktober, was in der Wüste bedeutete, dass die Tage warm und die Nächte angenehm lau waren. Regen fiel in dieser Jahreszeit so gut wie nie - das war eher etwas für den Frühling und den Sommer. Die einzige Stadt hier in der Gegend war Happily Inc - und die war nicht besonders groß. Daher war es nicht allzu schwierig, dem Neonlicht zu entkommen und in die ganz große Dunkelheit einzutauchen. Links und rechts von der Straße befanden sich nur die Berge, der Golfplatz und etwas weiter hinten die sanften Hügel des Happily-Inc-Wildtierreservats. Nichts und niemand störte sie, wenn sie den Blick nach oben richtete, auf die Sterne.
Sie nahm ihre Jacke und faltete sie zusammen. Dann legte sie sich auf die Straße und schob das improvisierte Kissen unter ihren Kopf. Sehr schön! Das war die ideale Position, um in Ruhe das nächtliche Himmelswunder zu betrachten.
Carol wusste nicht, wie lange sie schon so dagelegen hatte, als plötzlich grelle Scheinwerfer die Dunkelheit durchschnitten. Die Lichter kamen näher und näher, bis sie ihr irgendwann direkt ins Gesicht schienen.
Als sie sich aufrichtete, entdeckte sie einen mitternachtsblauen Mercedes, der hinter ihrem Jeep zum Halten kam.
Na toll, dachte sie und beobachtete den großen dunkelhaarigen Mann, der jetzt aus seinem Auto stieg und zielstrebig auf sie zukam. Inzwischen musste es nach zwei Uhr sein. Trotzdem wirkte Mathias Mitchell kein bisschen schläfrig. Was nicht weiter verw