Die Tränen von Triest
2
Das Steirereck lag am Heumarkt im dritten Bezirk mitten im Stadtpark. Unzählige Menschen flanierten an dem milden Sommerabend durch die weitläufige Parkanlage, saßen auf Bänken oder den Wiesen vor einem der Teiche. Touristen schossen zig Fotos vor der goldenen Statue von Johann Strauss. Das Restaurant erkannte man durch die spiegelnde Metallfassade leicht von Weitem. Es wirkte auf Johanna ein klein wenig futuristisch. Ganz nach Romans Geschmack. Leichtfüßig lief sie auf den Eingang zu, der sich unmittelbar vor ihr wie durch Zauberhand öffnete. Ein Mann mittleren Alters nahm ihr den dünnen Sommermantel ab, den sie über dem Arm trug.
»Hubner«, nannte sie Romans Familiennamen.
Ein Kellner kam und führte sie durch das gut besuchte Restaurant direkt auf die Terrasse. Auch dort gab es kaum freie Plätze. Die weißen Sonnenschirme sorgten für angenehmen Schatten, denn die Sonne ging erst in zwei Stunden unter. Roman saß schon an einem weiß gedeckten Tisch, direkt beim Geländer mit Blick auf den Wienfluss. Ein prachtvoller Blumenstrauß steckte in einem Sektkübel.
Roman wirkte begehrenswert, obwohl er den ganzen Tag im Büro verbracht und sicher wieder bis zur Erschöpfung gearbeitet hatte. Er erhob sich wohlerzogen, als er Johanna kommen sah. Sein Blick verriet, dass sie atemberaubend aussah. Zur Begrüßung hauchte er ihr einen sanften Kuss auf beide Wangen, wie einer guten Freundin. Vor mehr Zärtlichkeit in der Öffentlichkeit graute ihm. Paare, die sich schwer verliebt vor den Augen Fremder küssten, regten ihn maßlos auf.
»Die sind für dich.« Er zeigte auf die Blumen. »Happy Birthday.«
»Danke.« Johanna lächelte entzückt und setzte sich. »Bist schon lange hier?«
»Nein, zwei, drei Minuten.« Auch Roman nahm wieder Platz. Der Kellner brachte das Gedeck. Drei unterschiedliche Arten von Butter. Der Brotsommelier zählte verschiedene Brotsorten auf. Sie entschieden sich für Sesam-, Dinkel- und Veilchenbrot.
»Judith hat mich besucht. Wir haben uns ein bisserl verplaudert. Sie fliegt heute noch nach New York.«
Roman nickte, wirkte jedoch auf irgendeine Weise abwesend.
»Ist irgendwas? Du schaust irgendwie bedrückt aus.«
»Nein, alles in Ordnung.«
Der Kellner überreichte ihnen die Speisekarte und legte die Weinkarte vor Roman auf den Tisch. Dann zog er sich mit einer leichten Verbeugung zurück. Johanna strich die Süßmaisbutter auf ein Stück Sesambrot und schob es sich in den Mund.
»Was hältst du von einer Flasche Weißburgunder?«
Johanna nickte, wiederholte das Prozedere von vorhin mit Paprikabutter auf Dinkelbrot. Dann warf auch sie einen Blick in die Karte. Eigentlich verspürte sie kaum Hunger, deshalb entschied sie sich lediglich für den Saibling im Bienenwachs mit Salat. Roman orderte als Vorspeise den Attersee-Hecht mit Federkohl, gefolgt von Lamm. Der Wein wurde gebracht. Roman probierte, ließ den edlen Tropfen im Mund kreisen, schluckte, nickte dann dem Kellner zu. Dieser schenkte ihnen beiden ein und schob die Flasche in den Weinkühler.
Roman hob das Glas. »Prost! Auf dich!«
»Auf wunderbare Zeiten«, erwiderte Johanna. Sie stießen an, tranken einen Schluck.
»Wie war's im Büro?«, fragte Johanna intuitiv, weil sie ihn das jeden Tag fragte. Er erkundigte sich seltener danach, wie es ihr ergangen war.
»Ging so. Keine besonderen Hochs, aber auch keine Tiefs. Und bei dir?«
Johanna hatte sich vor drei Jahren selbstständig gemacht und sich in der Innenstadt ein kleines Büro gemietet. Anfangs steuerten ihre Eltern etwas zur Miete bei, aber inzwischen war die Auftragslage gut, und sie brauchte keine Unterstützung mehr. »Ich habe mir heute freigenommen. Das habe ich dir beim Frühstück erzählt.«
»Ach ja.« Roman versuchte ein Lächeln, das jedoch aussah, als verzöge er missbilligend das Gesicht.
Er hat es vergessen, vermutete Johanna stumm. Klar, eine solche Ungeheuerlichkeit, an einem