Die Villa der zauberhaften Wünsche
Kapitel 1
Alexandra oder vielmehr kurz Alex (denn niemand nannte sie je bei ihrem vollen Namen) schaltete herunter und nestelte dann an dem altmodischen Autoradio herum. Es rauschte und knackte, bis endlich eine männliche Samtstimme erklang. Bryan Adams, dachte Alex und schnurrte zufrieden. Genau die Sorte von Musik, die sie jetzt brauchte. Als die Bremslichter des Vordermannes aufleuchteten, brachte auch Alex ihren heiß geliebten Sir Henry zum Stehen. Sie nutzte die Staupause, um im Rückspiegel rasch ihr Äußeres zu überprüfen. Reine Routinesache.
Sie hob den Po ein wenig in die Höhe und fuhr sich gleichzeitig mit der Zungenspitze über die vollen, schön geschwungenen Lippen. Alles paletti! Der Lipgloss schmeckte zart nach Vanille und schimmerte verheißungsvoll. Kussmund - kam es Alex in den Sinn. Sie lächelte. Jawohl, das hatte sie. Eine süße Schnute, die zum Küssen einlud.
Zwei vorwitzige rötlich blonde Ringelsträhnchen hatten sich keck aus der lässigen Hochsteckfrisur gelöst und baumelten jetzt links und rechts vor Alex' Ohren. Bei jedem Windhauch, der durch die offenen Seitenfenster hereinkam, kitzelten sie ihre Wangen. Sie hob rasch die Sonnenbrille an und sah sich eine Sekunde lang selbst in die Augen. Groß, grün und strahlend, wie es sich gehörte. Die neue Wimperntusche war wohl tatsächlich wasserfest, jedenfalls hatte sie bis jetzt noch keine schwarzen Trauerränder hinterlassen, stellte ihre Trägerin zufrieden fest. Der graue Kajalstrich am unteren Lidrand war auch noch da, wo er sein sollte.
Alex senkte ihren Po wieder auf Sir Henrys edles rotes Sitzleder ab. Hinter ihr hupte jemand aufdringlich und ungeduldig. Der Ministau hatte sich offenbar aufgelöst, denn ihr Vordermann war schon nicht mehr da.
»Ach, hab dich doch nicht so!«, lachte Alex gutmütig und schaltete in den ersten Gang. »Nimm dir Zeit und nicht das Leben«, empfahl sie ihrem Hintermann noch. Obwohl der es natürlich nicht hören konnte. Armer Kerl, musste er sich eben weiter zu Tode hetzen! Jedem Tierchen sein Pläsierchen. Oder so ähnlich.
Himmel, was bin ich froh, dass ich momentan so ein stressfreies Leben habe, dachte sie dankbar. Meistens jedenfalls. Zwar war das vermutlich nur eine vorübergehende Phase, aber immerhin eine, die es sich zu genießen lohnte. Erfahrungsgemäß kam es ja hinterher immer umso dicker. So war es eben auf diesem Planeten, nicht wahr?
Draußen wogte das bunte Leben vorüber. Es war zwar schon Ende September, aber der Altweibersommer mit seinen herrlichen Stimmungsbildern schien in diesem Jahr kein Ende nehmen zu wollen. Die ersten Blätter hatten sich pflichtgemäß verfärbt und leuchteten fröhlich in der warmen Sonne. München zeigte sich momentan tatsächlich von seiner allerschönsten Seite.
Alex wandte den Kopf und beobachtete, während sie Sir Henry sanft die Sporen gab - sprich: aufs Gaspedal trat -, die vorüberflanierenden Menschen auf den überfüllten Gehsteigen. Viele schienen in ausgeprägter Bummelstimmung zu sein, denn sie schlenderten eher gemütlich dahin.
Die meisten davon waren vermutlich Touris. Nur ein Tourist konnte es sich leisten, so lässig herumzuflanieren. Am vergangenen Wochenende war ja auch das Oktoberfest eröffnet worden. Da wurde die Stadt jedes Jahr wieder von Massen ausländischer Besucher überschwemmt. Eine Superstimmung legte sich pünktlich alle Jahre wieder über die bayerische Landeshauptstadt. Das Leben wurde um einen deutlichen Tick luftiger, heiterer und unbeschwerter. Kosmopolitischer ... Genau, das war es! Kosmopolitisch - das war eindeutig die richtige Bezeichnung für diese einmalige Stimmung, die es so nur - und wirklich nur - in München geben konnte.
Zur Wiesn-Zeit, wie die Einheimischen das Oktoberfest treffender nannten. Immerhin fand das weltberühmte und zwei Wochen lang andauernde Bierfest zum größten Teil im September statt. Alex war immer schon der Meinung gewesen, dass die Wiesn deshalb logischerweise eigentlich au