Joachim Ringelnatz - Gesammelte Werke
Was Topf und Pfann' erzählen kann
Ein lustiges Märchen
Text von Hans Bötticher und
Ferdinand Kahn
1910
DAS FEUER zischt mit rotem Kopf -
Am Herd - da stehet Topf an Topf.
Drin kocht und siedet dies und das;
Die Köchin geht und holt noch was!
Kaum ist sie fort die Küche leer,
Geht's auf dem Herd lebendig her!
Das Feuer prasselt - bli! bla! blu! -
Der gute Herd - der brummt dazu.
In Topf und Töpfchen regt es sich
Und zischt und brodelt wunderlich.
Aus jedem tönt ein Stimmchen vor,
Und geht ihr hin und spitzt das Ohr,
Dann hört ihr - ei, das wird ein Spaß! -
Ein jeder Topf erzählt euch was.
Und was noch kochend drinnen liegt,
Weil ihr es erst heut' mittag kriegt,
Sagt, was erlebt' es wundersam,
Bevor es in den Kochtopf kam.
Drum kommt und hört - es ist nicht schwer -
Es freut bei Tisch euch sicher sehr,
Dieweil ihr mehr wie alle wisst
Von dem, was man zu Mittag isst!
ES LIEGT in seinem Topfe
Ein Braten feist und schwer
Und sagt mit rotem Kopfe:
»Allhier gefällt mir's sehr!«
Das gute liebe Feuer
Wärmt mich so wohlig an;
Das freut mich ungeheuer,
Wär' ich nur näher dran!«
Er hat sich immer näher
Zum Feuer hingewandt,
Da - pff! - ein Schrei, ein jäher,
Schon ist er angebrannt.
Da kommt die Köchin wieder
Und merkt sofort, was los;
Zum Braten schaut sie nieder -
O weh! - der Schreck ist groß! -
Am Fensterbrett zwei Raben,
Die plappern frech und dreist:
»Wer's gar zu warm möcht' haben,
Der brennt sich auch zumeist!«
»KENNT IHR die Geschichte vom Hänschen?«
Fragte aus der Pfanne das Gänschen.
»Im Garten promenierte Hänschen,
Um einen Blumenstrauß zu pflücken;
Er traf ein rundes fettes Gänschen
Und kletterte auf seinen Rücken.
'Ha!', rief der Hans, 'jetzt kann ich reiten.
Ich reite nach Amerika
Dort gibt es keine Schularbeiten,
In vierzehn Tagen sind wir da!'
Ein Taschentuch nahm er als Zügel,
Der Sattel war bequem und weich,
Da plötzlich hob die Gans die Flügel
Und flog auf einen großen Teich.
Das Gänschen schwamm durchs Wasser
Hans strampelte und schrie zuletzt;
Das Gänschen tauchte dreimal unter
Und hat ihn dann ans Land gesetzt.
Hans kam nach Hause ohne Zügel
Und war vor Angst und Schrecken blass.
Denn erstens kriegt' er arge Prügel,
und zweitens war er klitschenass.«
DIE SUPPE sprach mit leisem Mund:
»Die Kinder mach' ich stark - gesund!
Wenn ihr's nicht glaubt, so seid jetzt still
Und horcht, was ich erzählen will.
Im Wald, wo Wind und Wetter braust,
Hat eine Hexe einst gehaust,
Die hatte viele Kinderlein,
Die sperrte in den Wald sie ein,
Gab ihnen nichts zu essen mehr;
Die Kinder plagt' der Hunger sehr.
Doch eine Fee, die wusste dies;
Darum sie Suppe regnen ließ.
Da kamen schnell die Kinderlein
Und fingen sie in Töpfchen ein,
Und wurden groß und kräftig sehr,
Die Hex' konnt' sie nicht halten mehr,
Und kamen glücklich in die Stadt -
Die Suppe sie gerettet hat!«
»DAS KOMMT von solcher Prahlerei!«
So schimpfte zornig ein Spiegelei
Und zischte über dem Feuer und wallte
Und brodelte, prustete, spritzte und knallte.
Man fragte es, warum es so zornig sei -
Und da erzählte das Spiegelei:
»Es war zum fröhlichen Osterfest;
Vier Eier lagen in einem Nest,
Das eine aus Schokoladeguss
War braun, als wie eine H