MORDSFEST und andere Geschichten
Mordsfest - ein StrandtGuth-Krimi
Prolog
Mittwoch, 23. Dezember 2015.
Die Nordmanntanne war schwerer, als er gedacht hatte. Die Nadeln piekten in seine bloßen Hände, als er den Baum schulterte und zum Parkplatz schleppte. Das dünne Netz aus Plastikfasern, das der Händler auf dem Markplatz nach der Bezahlung um die grünen Zweige gewickelt hatte, knisterte leicht, als er seinen SUV deutschen Fabrikats erreichte und den Baum auf den Dachträger schob.
Während er die Spanngurte darüber befestigte, überlegte er, warum er diesen Baum überhaupt gekauft hatte. Wieso hatte er Geld ausgegeben für etwas so Vergängliches? War es nur, um den Schein zu wahren?
Seufzend stieg er in den Wagen und startete den Motor. Der Sechszylinder gab ein dumpfes Röhren von sich, aber er stotterte nicht so wie heute Morgen, als er ihn kalt gestartet hatte. Wahrscheinlich war doch mal wieder eine Inspektion fällig; doch die würde jemand anders machen müssen. Er würde den Wagen nicht mitnehmen können, das wusste er.
Er fuhr langsam durch die weihnachtlich geschmückten Straßen der kleinen Ortschaft und versuchte, die Gedanken an Scheitern und das schwarze Loch, das er aus seinen Alpträumen des letzten Jahres kannte, zu verdrängen. Er durfte jetzt auf keinen Fall aufgeben, gerade jetzt nicht.
Als er nach wenigen Minuten in die kleine Wohnstraße einbog, an dem hinter einer schmalen Kurve verborgen sein Haus - das vorletzte in der Straße - direkt an dem kleinen Waldstück lag, begann sein Puls zu rasen. Er musste ruhig sein, sich nichts anmerken lassen. Niemand durfte etwas ahnen, es musste normal sein, bis zum letzten Moment. Die Familie würde noch früh genug Schlagzeilen machen, in den Lokalnachrichten sogar den Aufreißer; Kapitalverbrechen waren immer eine Titelstory wert.
Gerade deshalb war es so wichtig, alles wie immer zu tun, um keinen Verdacht zu erregen. Dieses Weihnachtsfest, der morgige Abend und der Morgen danach würden die letzten sein, jedenfalls für ihn; seine letzten Tage in Freiheit. Sobald die Polizei ihn holen kam, würde nichts mehr so sein, wie es gewesen war.
Seufzend lenkte er den Wagen in die Einfahrt und rollte in den Carport neben dem hölzernen Unterstand, in dem die hüfthohen Mülltonnen vor Regen, Wind und Schnee geschützt wurden. Er musste daran denken, nachher beim Abholen der Weihnachtsgans nicht nur den Brief nach der letzten Leerung des Kastens einzuwerfen, sondern auch noch eine neue Rolle schwarze Müllsäcke zu kaufen.
Die Nordmanntanne sträubte sich beträchtlich, als er sie vom Autodach zog und geschultert ins Haus bis ins Wohnzimmer trug, wo er den angespitzten Stamm fachmännisch in den Tannenständer platzierte und fixierte. Die Familie war da, plötzlich und so massiv, dass er hätte schreien können.
Er ließ sie herumwuseln, den Baum und den Kamin schmücken und dabei immer wieder mit dem verdammten Köter herumalbern. Sie waren alle so fröhlich und unbekümmert, dass ihm schlecht davon wurde. Er wusste, was passieren würde, passieren musste. Und er wollte, dass es so geschah, wie er es geplant hatte.
Donnerstag, 24. Dezember 2015.
Als die Tür ins Schloss fällt, ist Carlotta Strandt erleichtert. Die Stille drinnen in der Wohnung ist kaum auszuhalten gewesen. Vielleicht ist es auch die Leere in der ansonsten gemütlichen Drei-Zimmer-Altbauwohnung mit Balkon. Denn seit Moritz ausgezogen ist, tut jede Sekunde in dem ehemals gemeinsamen Nest so weh, dass sie schreien könnte.
Langsam steigt sie die breiten Treppen aus altersdunkler Eiche hinunter und ist bemüht, das Briefkastenschild ' Strandt/Guth ' zu ignorieren, als sie daran vorbeikommt. Allein seinen Namen zu lesen tut weh, denn es ist aus und vorbei. Und so schwer ihr das fällt, sie kann verst