NSA - Nationales Sicherheits-Amt
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Wie alt war Helene gewesen, als sie zum ersten Mal einen Komputer gesehen hatte? Acht Jahre? Neun? Sie wusste es nicht mehr genau, nur, dass es bei Onkel Siegmund gewesen war. Natürlich bei Onkel Siegmund. Das würde ihr immer unvergessen bleiben.
Sie hatten ihn besucht, als er wieder einmal von einer seiner Reisen zurückgekommen war. Südamerika war es gewesen. Er hatte ihnen Bilder gezeigt von atemberaubenden Gebirgen, den Anden, von wolligen Lamas, die neugierig in die Kamera blickten, und von Peruanern mit komischen Hüten und in bunten Trachten. Er war im Dschungel gewesen und in einer uralten, verlassenen Stadt hoch auf den Bergen, die vor unglaublich langer Zeit erbaut worden war, aber niemand wusste, von wem oder auch nur, wie - wie hatten sie all die gewaltigen Steine in diese Höhe hinaufgeschafft? Und zum Schluss war er in Rio de Janeiro gewesen. Der Name hatte Helene fasziniert; das weiche »Sch«, mit dem das letzte Wort begann, klang so märchenhaft verheißungsvoll. Er hatte auch Photographien am Strand gemacht, von schönen Frauen in Badeanzügen, mit samtbrauner Haut und langen, schwarz gelockten Haaren und dunklen Augen unter langen Wimpern, die lockend und lachend in seine Kamera geblickt hatten, und von diesen Bildern zeigte er ziemlich viele, bis Mutter entrüstet gemeint hatte, nun sei es aber gut.
Auch über diese Reise würde er eine Reportage schreiben, wie immer. Er hatte auch erzählt, wo diese Reportage überall erscheinen würde, aber die Namen der Zeitschriften hatten Helene nichts gesagt.
Sie liebte es, Onkel Siegmund zu besuchen. Sie war gern in seinem muffigen kleinen Haus, das geheimnisvoll dunkel und düster war und nach Tabak und Orient roch. An allen Wänden hingen Erinnerungsstücke an die weite Welt, die der Onkel furchtlos bereiste - geschnitzte Masken aus schwarzem Holz, die grausige Gesichter zeigten und aus Afrika stammten, furchterregend lange Messer und Speere, die Onkel Siegmund von fernen Inseln mitgebracht hatte, fein bemaltes Porzellangeschirr aus Japan, prächtige rot-goldene Reisstroh-Fächer aus China oder Tierfelle, von denen ein fremdartiger Geruch ausging, ein Geruch nach Blut und Tod und Gefahr. Das ganze Haus war, nein, nicht ein Museum, vielmehr war es, als durchwandere man, wenn man durch die Zimmer ging, zugleich Onkel Siegmunds Erinnerungen an seine Reisen.
Ihr Bruder Armin war nicht mitgekommen. Er habe keine Lust, sich anzuhören, was andere Leute auf ihren Reisen erlebt hätten, hatte er gesagt; wenn, dann wolle er lieber einst selber in die Welt hinaus ziehen. Allerdings konnte Armin den Onkel ohnehin nicht leiden, Helene wusste nicht, warum.
Jedenfalls, an jenem bewussten Tag hatte Onkel Siegmund, nachdem er ihnen über Kaffee und Nusskuchen Photographien seiner Reise gezeigt und von seinen Abenteuern im fernen Südamerika erzählt hatte, hinzugefügt: »Außerdem gibt es noch etwas, das ich euch zeigen muss. Das wird vor allem dich interessieren, Johann.«
»Mich?«, hatte sich Helenes Vater gewundert. »Wieso das denn?«
Worauf Onkel Siegmund die Daumen in die winzigen Taschen seiner Weste gehakt und dröhnend gelacht hatte, wie es seine Art war. »Ich habe einen Teil meiner Honorare in die Zukunft investiert. Kommt und schaut es euch an!«
Also waren sie alle aufgestanden und ihm in sein Arbeitszimmer gefolgt, sein Allerheiligstes, das Zimmer mit dem Erker im ersten Stock, von dem aus man die ganze Stadt überblickte. Und Vater war in der Tür stehen geblieben und hatte ausgerufen: »Ein Komputer! Du hast dir einen Komputer gekauft!«
»Genau«, hatte Onkel Siegmund gesagt. »Die alte Schreibmaschine hat endgültig ausgedient. An diesem Gerät kann ich meine Texte schreiben, sie so oft überarbeiten und ändern, wie es nötig ist, und erst, wenn sie druckreif sind, drucke ich sie auch aus. Und bei vielen Redakteuren ist nicht einmal mehr das nötig, denn viele Zeitungen und Zeitschriften haben längst auc