One Last Song
RILEY
1.
»Komm sofort zurück, Riley Maddock, oder du bist gefeuert!«
»Ach, leck mich doch!«, blaffte ich, auch wenn es wohl eine schlechte Idee war, Ike derart über den Mund zu fahren. Immerhin finanzierte ich mit seinem Hungerlohn einen Teil meines Lebensunterhalts. Oder hatte das zumindest bisher getan.
Ich knallte die Stahltür hinter mir zu und trat in den viel zu frühen Morgen hinaus. Die Straßen waren nass und schmierig vom sommerlichen Platzregen, der vor einer Stunde heruntergekommen war, die Luft war schwüler als zuvor. Wie in einer Dampfsauna auf Hochbetrieb.
Ich rieb mir über den schweißnassen Nacken, schob die Brille auf meiner Nase zurecht und band die Haare zu einem Zopf. Mein Shirt klebte an mir, der Geruch nach Alkohol und Frittenfett schien förmlich aus meinen Poren zu quellen. Die Nachtschicht war hart gewesen. Heute waren viele Touristen gekommen, die letzten erst vor einer Stunde gegangen, obwohl wir um vier Sperrstunde ausgerufen hatten.
Ich zog die Schürze aus und pfefferte sie in eine der großen Mülltonnen neben der Tür. Ike hatte mich vorige Woche bereits abgemahnt, heute hatte ich es auf die Spitze getrieben. Aber was konnte ich dafür, wenn dieser eine Kerl seine Hände nicht bei sich lassen wollte? Abgesehen davon war es nicht meine Aufgabe, mich um die betrunkenen Gäste zu kümmern, auch nicht, wenn sie auf dem Klo schliefen. Als ich den Typen geweckt hatte, ging er mir gleich an die Wäsche, was ich mit einer Ohrfeige quittierte. Dumm nur, dass er nicht irgendein Gast gewesen war, sondern Ikes Bruder, der natürlich einen Riesenaufstand gemacht hatte.
Das rot und grün leuchtende Neonlicht von Ike's Bar & Grill fiel auf mein Gesicht, als ich die Hände in die Hüften stemmte und meinem Arbeitsplatz einen letzten Blick zuwarf. Meinem ehemaligen Arbeitsplatz wohl eher ... aber ich empfand nicht einmal Frust deshalb, obwohl das der dritte Job in vier Monaten war, den ich verlor. Es würde sich ein neuer finden. Irgendeine andere Spelunke, die ihre Leute unterbezahlte. In New York gab es weiß Gott genügend davon, und in fünf Monaten war sowieso alles vorüber.
Ich schloss die Augen, drängte den Gedanken beiseite, dass meine Zeit hier fast zu Ende war, und lauschte den Geräuschen. Autos fuhren vorbei, hupten, lärmten, eine Sirene schrillte in der Ferne. Es war erst halb sieben Uhr morgens, und dennoch gab es keine Ruhe. Nicht umsonst nannte man New York die Stadt, die niemals schlief.
Ich schulterte meine Tasche und ging davon, ohne mich noch einmal umzudrehen.
Es war nicht weit zur U-Bahn-Station, aber ich würde die Meile bis nach Hause zu Fuß gehen. Vielleicht half es, meinen Kopf frei zu bekommen und mir Gedanken über einen neuen Job zu machen. Außerdem konnte ich nach einer Nachtschicht sowieso nicht gleich schlafen.
Ich bog um eine Ecke auf den Times Square ab. Normalerweise mied ich die Gegend, wie jeder echte New Yorker, aber heute brauchte ich das bunte Treiben, auch wenn es noch verhältnismäßig ruhig war. Im Gehen kramte ich nach einem Kaugummi, damit ich den schalen Geschmack der Nacht loswerden konnte, und checkte mein Handy. Ajden hatte vor zwei Stunden angerufen. Ich drückte sofort auf Wiederwahl, denn eigentlich rief er um die Uhrzeit nicht an, sondern beachtete die Zeitverschiebung. Er war zurzeit in Indien, wo er in einem Bergdorf half, ein neues Bewässerungssystem anzulegen, das er mit seiner Freundin Liz entworfen hatte. Nach dem zweiten Klingeln hob er ab.
»Hey, Schwesterherz, schön, dass du zurückrufst und sorry, weil es so früh war. Mir ist der Zeitunterschied erst eingefallen, als ich schon gewählt hatte. Ich habe dich hoffentlich nicht geweckt.«
»Nein, hast du nicht. Wie geht es dir?«
»Großartig. Wir haben den ersten Brunnen zum Laufen gebracht!«
»Das ist fantastisch!«
»Ja. Du solltest die Kinder sehen. Sie rennen schon den ganzen Morgen h