Winterküsse in Schweden
31. Dezember
»Was hast du vor?« Völlig entgeistert starrte Malin auf die Szene vor ihr: Ihre beste Freundin Jule hatte auf der Terrasse der Stuga, des Ferienhauses ihrer Eltern, zwei gemütliche Campingliegen aufgestellt. Dazwischen thronte auf drei Beinen eine große Feuerschale, in der Holz aufgeschichtet war - bereit, entzündet zu werden. Und gerade zog Jule das Tuch vom mitgebrachten Korb und brachte darunter eine Thermoskanne und Weihnachtskekse zum Vorschein. Das alles hätte auf Malin durchaus einladend gewirkt, hätte das Thermometer im Auto auf der Fahrt hierher nicht zehn Grad Celsius angezeigt. Minus.
»Hast du mich hierhergebracht, damit ich meinem elenden Leben ein Ende durch Erfrieren setzen kann?«, fragte Malin und rieb sich über die Oberarme. Sie war gerade mal vor einer Minute aus dem beheizten Wagen ausgestiegen und fror bereits erbärmlich. Niemand, der einen Funken gesunden Menschenverstand besaß, verbrachte bei diesen Temperaturen mehr Zeit als unbedingt nötig im Freien. Und niemand, wirklich absolut niemand, veranstaltete unter diesen Bedingungen ein Picknick im Freien.
Jule lachte nur über die Bemerkung ihrer besten Freundin und machte sich unbeirrt mit einer Packung Streichhölzer ans Werk. Nur Sekunden später knisterte ein kleines Feuer in der Feuerschale. »Wir haben genügend Holz für einen ganzen Scheiterhaufen«, erklärte sie nebenbei.
Malin verschränkte die Arme vor der Brust. »Hat meine Mutter dich als Inquisitorin angeheuert, weil ich nicht nach ihrer Pfeife tanzen will?«
Jule kicherte glucksend. »Du bist ja heute wirklich in außerordentlich guter Stimmung.«
»Ich bin in der Stimmung für mein Bett, für heiße Schokolade, Kekse, Alleinsein, ein trauriges Buch«, zählte Malin auf. »Ich bin definitiv nicht in der Stimmung dafür, mir den Hintern abzufrieren.«
»Oh, da habe ich vorgesorgt.« Immer noch ignorierte Jule die offensichtliche schlechte Laune ihrer Freundin einfach. Sie klappte den Deckel einer großen Holzkiste auf und zog zwei Felle heraus. »Bitte sehr!« Sie breitete das erste auf der linken Gartenliege aus. »Rentierfell. Das hält dein hübsches Hinterteil schön warm.«
»Hast du Rudolf getötet?«, fragte Malin, ohne auch nur im Geringsten amüsiert dreinzuschauen.
»Nein, das war sein nerviger Cousin«, erwiderte Jule trocken und strich auch das zweite flauschige Fell glatt.
»Und das?« Stirnrunzelnd zeigte Malin darauf.
»Das war seine Schwiegermutter.«
»Rudolf ist verheiratet?«
Auf die Frage erhielt sie keine Antwort, denn Jule war mit dem Oberkörper in der Holzkiste verschwunden und tauchte, beide Arme voller Decken, wieder auf. »Das sollte reichen«, befand sie zufrieden. »Los, setz dich hin und mach es dir gemütlich!«
Malin folgte der Aufforderung jedoch nicht. Sie blieb stehen und betrachtete das Arrangement immer noch skeptisch. Eine Minute verging, in der sie ihre Möglichkeiten abwog.
Den Schlüssel zum Ferienhaus hatte Jule eingesteckt, Malin wusste allerdings nicht, in welcher der vielen Taschen ihres kuscheligen Mantels. Die Suche konnte eine Weile dauern. Und Jule würde ihr die Schlüssel bestimmt nicht kampflos überlassen. Das Gleiche galt für den Autoschlüssel. Malin konnte sich also weder ins Haus retten noch ins Auto, um damit zurück nach Stockholm zu fahren.
Nicht, dass ihr die Aussicht, in die Wohnung ihrer Mutter zurückzukehren, besonders gefiel. Sie war heilfroh gewesen, als Jule ihr am Morgen eine Nachricht geschickt hatte, dass sie in einer Stunde da sein würde, um sie an einen schönen Ort zu entführen. Leider hatte sie dabei vergessen, die Zeitmaschine zu aktivieren. Der Feriensitz von Jules Eltern war malerisch. Im Sommer. Für den 31. Dezember traf das allerdings nicht so ganz zu.
Oder doch?
Zögernd sah Malin sich um. Das Feuer brannte inzwischen so kräftig, dass es anfing, sie zu wärmen, und das half ein wenig gegen ihre unterk