Der weite Weg
Die Jugend
Freud und Leid in schwerer Zeit
Nach der Schulentlassung hieß es, eine Lehrstelle zu suchen.
Für meine Eltern stand fest, dass eine Büroarbeit für mich das Richtige wäre. Wir hatten nämlich auch in der Schule Stenografie gelernt und das war mir außerordentlich leicht gefallen. Ich selber hatte den Drang, mich bei der Sparkasse zu bewerben, weil ich als Kind schon immer so gerne "kassieren" gespielt habe. Und wenn ich mit Mutti in der großen Sparkasse gelegentlich warten musste, bis unsere Nummer aufgerufen wurde, dann habe ich immer ganz verzaubert die riesengroßen Buchungsmaschinen beobachtet und die Postkörbchen, die an der Decke entlang fuhren von Schalter zu Schalter.
So nahm mich mein Vati kurzentschlossen am Arm und wanderte mit mir zur Dresdner Bank, um mich dort vorzustellen. Doch wir bekamen eine bittere Pille zu schlucken. Man nahm dort nur Lehrlinge auf, die in Mathematik mindestens die Note 2 hatten. Oh je - ich war ja froh, dass ich es im Abschlusszeugnis in Mathe auf eine 3 gebracht hatte! Dass sich mindestens vier "Einser" in meinem Abschlusszeugnis tummelten war völlig unwichtig für die Personalstelle der Bank (ich hatte in Deutsch, Englisch, Musik und Geschichte die Note 1, Französisch die 2, Mathe und Erdkunde und Turnen die 3). Die 3 in Turnen habe ich mir mit Musik ergaunert! Die Note stimmte nun wirklich nicht. Ich war eine sportliche Null ... Aber meine Turnlehrerin brauchte ja jemanden, der in der Turnhalle bei der Gymnastik die Begleitmusik machte - und das war ich! Meine schöne Note 3 holte ich mir bei Volkstanz und Gymnastik. Auch an zwei Stangen hochklettern- das konnte ich ganz schnell. Es ist mir heute noch ein Rätsel, wie ich das fertiggebracht habe. Aber beim Aufschwung am Reck musste mir immer eine Hilfe den Allerwertesten mit hochhieven. Und auf dem ledernen Pferd bin ich prompt in Reitstellung oben gelandet - aber nicht darüber hinweg gekommen.
Nachdem wir also bei der Dresdner Bank mit der Bewerbung gescheitert waren, versuchten wir es mit der Bewerbung bei der Städtischen Sparkasse/Bank zu Breslau. Genau da, wo ich schon als Kind so gerne zugeschaut hatte. Warum eigentlich sind wir nicht gleich dorthin gegangen? Es klappte - sie nahmen auch Lehrlinge an, die in Mathe eine Note 3 hatten. Gleich am nächsten Tag musste ich zur Aufnahmeprüfung erscheinen und das war für mich sozusagen der Umweg zum Glück!
An dem aufregenden Prüfungstag, als ich mit anderen Bewerbern an einem langen Tisch in der Personalstelle saß und mit Angst und Bangen auf die Zettel mit den Rechenaufgaben wartete, da schaute ich gegenüber von meinem Platz genau in zwei große blaugraue Augen, die mich interessiert musterten. Sie gehörten einem hübschen blonden Jungen, der mir auch sofort sehr gefiel.
Es war mein Achim - und wir konnten damals beide noch nicht ahnen, dass dort die Fäden gesponnen wurden, die unseren weiteren Lebensweg miteinander verknüpfen würden!
Nachdem uns das Ergebnis unserer Prüfungsarbeiten (ein Deutschdiktat gab es auch noch) bekanntgegeben wurde und wir alle bestanden hatten, wurden wir vom Personalchef in unsere zukünftigen Zweigstellen eingewiesen. Achim, mein freundliches Gegenüber, kam in die Nebenstelle 2 und ich in die 17. Das Schöne an unserer Lehrzeit war, dass jeweils der Lehrling von einer Zweigstille am Abend mit der angefallenen Post zur Hauptstelle fahren musste. Das bedeutete für uns, dass sich eine fröhliche Lehrlingskolonne jeden Abend dort traf. Das war in dem Hochhaus am Ring wo es auch noch einen Paternoster gab. Übrigens hat das Sparkassenhochhaus in Breslau am Ring den Krieg überstanden, wie ich später erfahren habe.
Zu Pfingsten 1944 trafen wir "Margareten" uns zum ersten Mal nach der Schulentlassung im Südpark mit unserer Klassenlehrerin. Nun konnten wir uns erzählen, welche Wege zur Lehre wir inzwischen eingeschlagen hatten.
Aber auch mit meinen Spark