Die Frau in mir
1
Verbotenes Wohlgefühl
"Weißt du, was Nachtdüfte sind?", fragte ich meine Frau.
"Natürlich weiß ich das! Sie stecken in Fläschchen, aus denen ich mir für die Nacht etwas Schönes auf die Haut träufeln kann."
"Und warum hast du mir noch nie von ihnen erzählt? Was gibt es bei euch Frauen denn noch alles Interessantes, was ich nicht weiß?"
"Was redest du eigentlich die ganze Zeit für komisches Zeug?"
"Ich hab diese Duftfläschchen in der Damenabteilung im Kaufhaus gesehen. Für Männer gibt es so etwas nicht."
Maria kicherte: "Du warst du in der Damenabteilung? Was wolltest du denn da?"
"Ich finde das alles ziemlich spannend."
"Wie bitte, was alles? Die Damenabteilung, Nachtdüfte?"
Alles ganz offen erzählen ist das Beste, dachte ich. Besser, als wenn sie die Strümpfe in meinem Schrank entdecken würde. Besser, als wenn sie deswegen denken könnte, ich hätte sie mit einer anderen Frau betrogen. Viel besser, als wenn ich ihr dann erklären müsste, dass es diese andere Frau tatsächlich gab, dass es sich bei ihr aber um mich selbst handelte, ich etwas von einer weiblichen Stimme, der Frau in mir, faseln würde, wobei sie überlegen würde, ob ich verrückt geworden sei. Irgendwann musste ich es ihr sowieso sagen. Warum also nicht jetzt.
Ich sah in Marias Augen. Sie blitzten mich unsicher an. Würde sie jetzt böse werden? Oder könnte sie meine "Beichte" humorvoll und interessiert aufnehmen? Vielleicht würde sie so wunderschön lachen, wie ich es an ihr immer geliebt hatte in all den Jahren. Und ich würde weiter dieses Glücksgefühl empfinden können, mit dieser wunderbaren Frau zusammen sein.
Maria und ich saßen in unserem vietnamesischen Lieblingsrestaurant. Natürlich an dem Tisch beim Aquarium. Das Wasser gurgelte immer so auffällig leise, dass es nicht störte und man es, wann immer man wollte, angenehm wahrnahm. Und wie immer, wenn ich nicht wusste, wie ich etwas sagen sollte, schaute ich dort hinein. Langsam schwebten die Fische durchs Wasser. Und dann wieder ganz schnell. Ohne, dass man es erwartete. Warum stießen sie nie am Glasrand an? Den konnten sie doch unmöglich sehen. Sie hatten solche Probleme nicht.
"Ist dir eigentlich nicht aufgefallen, dass ich in diesem Winter noch keine Bronchitis hatte?", sagte ich schließlich leise zu Maria.
"Stimmt, toll!"
"Und weißt du warum? Weil ich jetzt Nylonstrümpfe trage! Das wollte ich dir endlich einmal erzählen."
Jetzt musste sie tatsächlich lachen. Schallend aber, was mir peinlich war und mich verletzte.
Sie warf mit dieser typisch weiblichen Bewegung, die ich so an ihr liebte, ihr blondes Haar zurück. Und da ich das Gefühl hatte, dass sie mich nicht ernst nahm, ließ ich die Katze aus dem Sack. Meine kleine Rache für dieses Lachen.
"Halterlose!", sagte ich. Sie waren für mich ja kein Witz, diese Strümpfe. Sie waren eine neue Erfahrung. Der Schlüssel zu einer neuen Welt. Um ihr das Ausmaß der Katastrophe wirklich ganz deutlich vor Augen zu führen, griff ich unter den Tisch und zog meine Hosenbeine nach oben: "Du glaubst mir nicht? Doch, schau mal!"
Schwarze Nylons auf zusammengepressten Männerbeinhaaren.
"Was, du trägst