Wie wir uns morgen bewegen werden
Teil I:
Mobilität - die Branche der Zukunft
Kein Überleben ohne Zukunftsbewusstsein
Womit haben Sie Ihre ersten Fotos fürs Familienalbum gemacht? Klar, mit Kompakt- oder Spiegelreflexkamera. Wo sind Leica, Kodak, Polaroid, Agfa und Praktica heute? So ist das mit der Zukunft: Die einen werden übel von ihr überrascht, sodass sie sich mühsam wieder aufbauen müssen, die anderen machen auch in Zukunft gute Geschäfte. Warum?
Die Antwort kommt mit einem einzigen Wort aus: Zukunftsmanagement. Dazu ist noch nicht einmal ein Zusatzstudium nötig. Ein wenig Zukunftsbewusstsein und guter Wille reichen völlig. Leider hapert es an beidem, wie die beiden US-Wissenschaftler Hamel und Prahalad belegen. Schon vor Jahren stellten sie empirisch fest, dass sich der durchschnittliche Manager lediglich 2,4 Prozent seiner Zeit mit der langfristigen Entwicklung seiner Branche und seines Unternehmens befasst - das sind gerade mal 14 Minuten und 24 Sekunden eines Zehn-Stunden-Tages [1]. Kein Wunder, dass die meisten Unternehmen ihre eigene Zukunft nicht erleben.
Diese fatale Zukunftsschwäche kennt auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), weshalb es seit Jahren Vorhaben wie den EffizienzCluster LogistikRuhr fördert. Eines der Verbundprojekte dieses Clusters, der Competitiveness Monitor (CoMo), hat in seinen drei Jahren explizit diese Schlüsselkompetenz für unternehmerischen Erfolg in Mobilität und Logistik erforscht [2]. Damit hat das Projekt maßgeblich zu einem der sieben Leitthemen des Clusters beigetragen: Aktivierung von Clusterpotenzialen. Das ist das Stichwort.
Eine Studie von A.T. Kearney [3] im Jahr 2011 zeigt: Aktivierung lohnt sich. Vor allem, wenn es um das Zukunftsbewusstsein von Managern geht. Unternehmen, die zehn Jahre oder länger planen, erreichen ganz eindeutig einen um das Mehrfache höheren Total Shareholder Return als zukunftsschwache Unternehmen. Warum zahlt sich das aus? Weil diese Unternehmen über ein geschärftes Zukunftsbewusstsein verfügen - und weil das zehnjährige Vorausplanen beweist, dass sie jene Instrumente zur Bewältigung unsicherer Entwicklungen beherrschen, die weitaus besser zum Umgang mit den Herausforderungen der Zukunft geeignet sind als die übliche lineare Extrapolation (Fortschreibung mit Prozentaufschlag). Und weil eine so lange Zeitspanne eben nachhaltig ist. So langfristig planende Unternehmen lassen sich nicht vom Tagesgeschäft oder von Vorstandsvorlieben in die Irre führen. Sie verfolgen langfristige Ziele, sie laufen sozusagen synchron mit der Zukunft. Wie schaffen sie das?
Im Grunde genommen mit exakt dem, was Sie gleich erleben werden: mit verrückten Ideen. Zugegeben, das ist nicht der wissenschaftliche Ausdruck. Aber es ist der springende Punkt: Überraschungen. Wenn wir mit Entscheidern und Unternehmenslenkern sprechen, zum Beispiel über den Aufzug ins Weltall (S. 196), zeigen sich die einen von so einer "verrückten Idee" überrascht bis befremdet, während die anderen bereits nach dem Business Case, Investitionsoptionen und den Konsequenzen für die eigene Branche fragen. So weit ein Aufzug in den Orbit hergeholt sein mag, er trifft genau die Herausforderung: Zukunftskompetente Entscheider rechnen heute schon mit "total verrückten" Ideen - im Sinne des Wortes. Sie rechnen das schon mal durch. Was das kosten könnte, mit wie viel Einsatz man dabei sein könnte, wie sich das für wen auszahlen könnte. Wirklich überrascht werden dann immer nur jene, die in zehn oder 20 Jahren vom Markt fliegen. Weil sie nicht sehen wollten oder konnten, was Sie gleich sehen werden. Was werden Sie sehen?
Verrückte, bahnbrechende, hochinnovative, Branchen auf den Kopf stellende oder einfach einen Teilprozess wesentlich verbessernde Ideen - technisch-organisatorischer Art. Natürlich gibt es noch viele andere Arten bestechender Ideen - soziokultureller, politischer, ökologischer, ökonomischer und rechtlicher