Der Junge muss an die frische Luft
KAPITEL 3
DER JUNGE SPRICHT NICHT VIEL
Vielleicht kann die eigene Geschichte
anderen ein bisschen
Lebensmut geben.
Während ich in meinem Hotelzimmer auf dem Sofa liege, verirren sich meine Gedanken nach Maputo, in die Hauptstadt von Mosambik. Die Erinnerung an die Begegnung mit einem besonders starken, zehnjährigen, HIV-positiven Jungen flammt in mir auf. Luis.
Seit knapp 15 Jahren engagiere ich mich im Rahmen meiner Möglichkeiten für die Deutsche Aids-Stiftung. Dr. Ulrich Heide, der ideenreiche Geschäftsführer, lässt sich in seinem Bonner Büro ständig etwas Neues einfallen, um seine Mitarbeiter und eben manchmal auch mich auf Trab zu halten und so den nationalen und weltweiten Projekten die dringend benötigte finanzielle Unterstützung zu sichern. So überrascht er mich eines Tages mit dem folgenden, etwas umständlichen Anruf:
»Heide hier! Guten Tag. Sie können sich sicher denken, warum ich Sie mal wieder anrufe, mein lieber Herr Kerkeling. Was kann ich schon von Ihnen wollen? Ihre Unterstützung!«
Genau das mag ich, neben vielem anderem, an Ulrich. Er kommt immer schnell auf den Punkt, und das nie, ohne eine gehörige Prise Humor beizumischen. Der promovierte Historiker ist Realist, aber auch Humorist und damit einer der wenigen Menschen, die mich mit voller Absicht herzlich zum Lachen bringen können.
Allein deshalb habe ich wahrscheinlich fast alles, was er mir in den vergangenen zehn Jahren an Benefizaktionen zugunsten der von HIV und Aids betroffenen Menschen so vorgeschlagen hat, nahezu widerstandslos erfüllt und beispielsweise die eine oder andere Kunstauktion oder Operngala moderiert. Jetzt am Telefon ringt Dr. Ulrich Heide weiter um die passenden Worte:
»Ich weiß zwar schon, was Sie mir auf meine durchaus heikle und vielleicht in Ihren Augen auch anmaßende Frage antworten werden, aber ich hoffe inständig, dass Ihre Antwort doch anders ausfallen wird, als ich es jetzt gerade, während wir telefonieren, befürchte!«
O Gott! Hält er mich tatsächlich für so einen schwierigen Charakter? Vorsichtshalber entscheide ich mich spontan für folgende Antwort:
»Also, verehrter Herr Dr. Heide, wenn Sie Ihr Anliegen schon so umständlich vorbringen, dann ist meine Antwort natürlich: Nein! Das klingt mir zu kompliziert, also lassen wir es gleich.«
Ich posaune meine Sätze vollmundig in den Hörer, um möglichst entschieden zu klingen. Wer weiß, was er sich da wieder ausgedacht hat?
»Sehen Sie, und genau das dachte ich mir! Mhmhmh. Was machen wir zwei denn nun?«
Wie schon so oft lässt er eine wohldosierte, blecherne Kunstpause durch den Hörer auf seinen Gesprächspartner einwirken. Und welcher Naivling fällt darauf herein? Ich!
Wie vermutlich von Ulrich gewünscht und einkalkuliert, frage ich neugierig: »Wollen Sie mir denn wenigstens verraten, was ich Ihnen jetzt so unwirsch und ungalant abgesagt habe?«
Mann, ich bin aber auch leicht durchschaubar. Es gibt nun einmal ein paar Menschen, die mich spielend um den Finger wickeln können. Ulrich weiß ganz genau, dass er zu dieser seltenen, sympathischen Spezies gehört. Er hat das Herz auf dem rechten Fleck und ist dabei noch besonders lustig. Dagegen kann ich mich nicht wehren, ich werde sofort zu Wachs. Dr. Ulrich Heide kommt nun ohne Umschweife zum Punkt:
»Ich wollte eigentlich mit Ihnen gemeinsam nach Mosambik reisen. Das ZDF will unser Projekt dort im Rahmen einer großen Spendengala finanziel