Jean-Paul Sartre: Das Sein und das Nichts
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Bernard N. Schumacher
Philosophie der Freiheit: Einführung in Das Sein und das Nichts
Jean-Paul Sartre (1905-1980) ist unbestritten eine herausragende Gestalt der zeitgenössischen Philosophie, dessen Werk Das Sein und das Nichts. Versuch einer phänomenologischen Ontologie zu den Klassikern der philosophischen Literatur (Flynn 2002; Macho 1995, 7) gehört. Als der bedeutendste Philosoph der Nachkriegszeit hat Sartre eine ganze Generation von Denkern geprägt. Er rückt an die erste Stelle, behauptet sich dort und etwa fünfzehn Jahre lang gibt er in der intellektuellen Welt den Ton an. Ungeachtet zahlreicher Versuche, ihn herabzuwürdigen, ungeachtet des "totalen Hasses" (Levy 2000, 49), der ihm entgegengebracht wurde, aller Verachtung, allem Neid über seinen Erfolg und den vielen Anfechtungen und leidenschaftlich geführten Debatten, die seine philosophischen Positionen auslösten, zum Trotz, ist Sartre der französische Autor, ja für manche, der Denker weltweit, der im XX. Jahrhundert am meisten studiert wird. Sein Denken unterliegt weder dem Wandel der Zeit noch der Mode, welche ihn viele Jahre lang zu dem französischen Intellektuellen machte, zu der "absolutesten intellektuellen Autorität, die man bisher gesehen hat" (Renaut 1993, 12; Lévy 2000, 17). Noch heute ist er ein "'Gewissen Frankreichs', an dem man kaum vorbei kommt" (Petit 2000, 1).
1 Reaktionen auf Das Sein und das Nichts
Während die Veröffentlichung von Das Sein und das Nichts 1943 in Paris unter der deutschen Besatzung eher geringe Beachtung fand, steht dieses philosophische Werk schon sehr bald für den französischen Existentialismus und löst weltweit vom Lob bis zur Ablehnung heftige Reaktionen aus. Zwei gegensätzliche Haltungen mögen dies veranschaulichen: "Eines Tages im Herbst des Jahres 1943", schrieb Michel Tournier (1964), "fiel mir ein Buch in den Schoss wie ein Meteor: Das Sein und das Nichts . Auf einen Moment der Verwunderung folgte der Prozess des Wiederkäuens. Dieses Werk war kompakt, spröde, von einer unwiderstehlichen Kraft, voller feinem Scharfsinn und enzyklopädischer Breite, ein technisches Meisterwerk von intuitiver diamantreiner Schlichtheit. Schon wurden in der Presse die Stimmen des antiphilosophischen Mobs laut. Es gab keinen Zweifel, uns war ein neues Denksystem gegeben worden. Wir jubelten." Im Gegensatz dazu bemerkt Ferdinand Alquié in einer Rezension von Das Sein und das Nichts (1966, 106), dass Sartre "nicht an die Philosophie glaubt. Er ist ein Antiphilosoph beziehungsweise der Philosoph einer philosophiefeindlichen Generation. Er gehört zu jenen, die wie Pascal und Kierkegaard, die Weisheit verachten und sich über die Vernunft lustig machen". Gabriel Marcel (1964), der zweifelsohne anerkennt, dass das philosophische Werk Sartres als solches - und Das Sein und das Nichts im besonderen - "von einem aussergewöhnlich beweglichen und scharfen Geist zeugt", sieht in dessen Autor einen Sophisten, dem er "schlimmste intellektuelle Unaufrichtigkeit" und "zynische Wahrheitsverachtung" bescheinigt. Maurice Merleau-Ponty (1945, 344) fasst in knappen Worten zusammen, dass "Sartres Werk" für viele "eher ein Gift ist, vor dem man sich hüten muss, als eine Philosophie, über die es sich zu diskutieren lohnt".
Auch heute noch, zwanzig Jahre nach dem Tod des französischen Philosophen, sind einige Zeitgenossen der Meinung, dass Sartre "sich über die Vernunft lustig macht" und dass Das Sein und das Nichts es nicht wert sei, von einem Philosophen, der seines Namens würdig ist, gelesen zu werden. Das Sein und das Nichts gilt einigen als Beispiel für eine nicht ernst zu nehmende Philosophie, sogar für eine Nicht-Philosophie. Andere denken, dass man heute keine Phil