Der unheilbare Romantiker
Kapitel 1
Die Anwaltsgehilfin
Liebe, die kein Nein akzeptiert
Wir hatten an den gegenüberliegenden Seiten eines kleinen Tisches auf zwei hochlehnigen Armsesseln Platz genommen. In Reichweite stand das unentbehrliche Accessoire des professionellen Psychotherapeuten: eine Box mit Zellstofftüchern - vielleicht das am wenigsten beeindruckende aller berufstypischen Utensilien. Ich habe unendlich viele Stunden meines Lebens damit zugebracht, Leuten beim Weinen zuzusehen.
Megan war Mitte vierzig, konservativ gekleidet, mit weichen, runden Gesichtszügen. Ihr Haar war dunkelbraun und zu einem akkuraten Bob geschnitten - die glatten Seiten rollten sich unter ihrem Kinn nach innen. Ihr Gesicht war freundlich. Im Ruhezustand bewahrten ihre Gesichtszüge ein leises, unterwürfiges, unsicheres Lächeln. Ihr Rocksaum reichte ein gutes Stück weit unter die Knie, und ihre Schuhe gehörten zur Sorte "zweckmäßig". Eine lieblose Person hätte Megan vielleicht als graue Maus bezeichnet.
Ihr Hausarzt hatte mir eine Überweisung geschickt und die Eckdaten ihres Falles zusammengefasst. Überweisungen (normalerweise auf Band diktiert und dann von einer Sekretärin abgetippt) sind neutral gehalten. Die kurzen, knappen Sätze ersticken oftmals die Tragik, die sich dahinter verbirgt. Name, Alter, Adresse, Sachverhalt. Megans Geschichte hatte allerdings ihre theatralische Glut bewahrt. Dem stichpunktartigen Bericht des Hausarztes war es nicht gelungen, die wichtigen Elemente einer tragischen Liebesgeschichte einzufrieren: emotionale Extremsituation, rücksichtslose Hingabe, Leidenschaft und Begehren.
Bevor Megan mein Sprechzimmer betrat, hatte ich die Überweisung gelesen und mich natürlich gefragt, wie sie wohl aussehen würde. Vor meinem geistigen Auge entstand augenblicklich die passende Heldin für einen Liebesroman. Ich hatte mir eine schlanke, hochgewachsene Frau mit wilder Mähne und gehetztem Blick vorgestellt. Ich muss zugeben, ich war ein wenig enttäuscht, als Megan hereinkam.
Auf gewisse Art und Weise treffen alle Klischees zu, und die äußere Erscheinung kann ausgesprochen trügerisch sein. Wenn wir uns das erste Mal begegnen, sehen wir einander nicht wirklich. Es bedarf schon eines sehr genauen Blickes, um zu erkennen, mit wem wir es tatsächlich zu tun haben. An diesem ersten Treffen sah ich nur eine Anwaltsgehilfin. In Wirklichkeit war die Frau, die da vor mir saß, viel exotischer, aber ich war nicht in der Lage, über die Barriere meiner eigenen Vorurteile hinwegzusehen.
Nach ein paar einleitenden Bemerkungen erklärte ich, dass ich die Überweisung ihres Arztes gelesen hatte, aber trotzdem ihre eigene Version der Dinge hören wollte.
"Das ist schwierig", sagte sie.
"Ja", nickte ich. "Bestimmt haben Sie Recht."
"Ich kann Ihnen Begebenheiten erzählen", fuhr sie fort. "Ich kann Ihnen erzählen, was geschehen ist, aber es ist so schwierig auszudrücken, wie es in mir aussieht."
"Wir haben es nicht eilig", gab ich zur Antwort. "Nehmen Sie sich die Zeit, die Sie brauchen."
Abgesehen von einigen leichten depressiven Episoden hatte Megan noch nie an irgendwelchen signifikanten psychologischen Problemen gelitten. "Meine Depressionen waren nie sehr schwer", sagte sie. "Ich meine, nicht so schwer wie bei einigen Leuten, die ich kenne. Nur manchmal hatte ich so meine Mucken, aber das ist auch schon alles. Und nach ein paar Wochen war alles wie weggeblasen, und es ging mir wieder gut."
"Können Sie sagen, was das ausgelöst haben könnte?"
"Die Anwälte, für die ich arbeite, verlangen oft viel von einem. Vielleicht war es der Stress."
Ich nickte mitfühlend und machte mir ein paar Notizen.
Megan war seit zwanzig Jahren verheiratet. Ihr Mann Philip war Buchhalter, und sie waren immer glücklich miteinander gewesen. "Wir haben keine Kinder", sagte sie unaufgefordert. "Es ist nicht so, dass wir von vorn