Jean-Paul Sartre. Literatur des Existenzialismus
Sartres Kunstverständnis
Als Jean-Paul Sartre an seinem Essay "Was ist Literatur?" schrieb, hatte Frankreich die Erfahrung des Krieges gegen den Faschismus und der deutschen Besetzung im Zweiten Weltkrieg gemacht. Viele französische Schriftsteller und Intellektuelle – einschließlich Sartre – politisierten sich in dem Sinne, dass sie sich vornehmlich für sozialistische und kommunistische Ideale einsetzten. Das Bewusstsein dieses Umbruchs auch in der Literatur und der Problematik des L'art-pour-l'art-Prinzips sind Grundlage dieses umfangreichen Essays von 1947. Letztendlich ist es jedoch als Antwort auf eine Polemik entstanden. Man hatte Sartre vorgeworfen, er wolle mit seiner Forderung nach dem Engagement der Literatur diese in den Dienst politischer Zwecke stellen und zur (kommunistischen) Tendenzliteratur machen. Daraufhin sah er sich gezwungen, seine Vorstellung von Literatur ausführlich zu erläutern:
"Und da die Kritiker mich im Namen der Literatur verurteilen, ohne jemals zu sagen, was sie darunter verstehen, ist es die beste Antwort, die Kunst des Schreibens ohne Vorurteile zu untersuchen. Was ist schreiben? Warum schreibt man? Für wen? Tatsächlich scheint sich das niemand je gefragt zu haben." [14]
In "Was ist Literatur?" finden sich wesentliche Gedanken Sartres zur Kunst. Es ist nicht allein die Literatur, die Sartre hier thematisiert, obwohl der Titel und die Kapitelüberschriften es zu beweisen scheinen. Es sind ebenso seine Vorstellungen von Kunst und von der Funktion eines Kunstwerks im Allgemeinen. Die Prosa nimmt unter den Künsten bei ihm eine Sonderstellung ein. Sartres Literaturverständnis detaillierter zu erläutern, ist hier nicht möglich und daher thematisiere ich die Literatur wie auch die Malerei, um Sartres genre-übergreifende Gedanken darzustellen.
WAS IST UND WAS KANN DIE KUNST?
Ich möchte die allgemeinen Bedingungen darlegen, unter denen für Sartre ein Kunstwerk Kunst ist. Wichtig für den Kunststatus bei Sartre ist zunächst die Tatsache, dass Kunstwerke nur in Wechselbeziehung zum Künstler und Rezipienten existieren. Eine Autonomievorstellung des Kunstprodukts, wie es sie beispielsweise in der Romantik bei Friedrich W.J. Schelling gegeben hat, wo sich Freiheit und Natur im Kunstwerk zu einer "endlichen Darstellung des Unendlichen" verbinden, interessiert Sartre nicht. In "Was ist Literatur?" entwickelt Sartre zwei grundlegende Bedingungen für den Kunststatus. In den Kapiteln "Was ist schreiben?" und "Warum schreiben?" finden sich auch die Gründe, warum man Sartres ästhetische Theorie als eine phänomenologische bezeichnen kann.
In "Was ist schreiben?" bezeichnet er zunächst ein Kunstwerk als ein imaginäres Objekt. Die erste Bedingung für den Kunststatus ist also, dass ein Werk etwas-als-etwas präsentieren muss und nicht ausschließlich für-etwas, d. h. als Zeichen, stehen darf. Das Kunstwerk hat nach Sartre keinen Zweck, sondern ist einer. [15] So sei beispielsweise ein Gemälde reine Präsentation: "Jenen gelben Riß am Himmel über Golgatha hat Tintoretto nicht gewählt, um die Angst zu bedeuten noch um sie hervorzurufen; er ist Angst und gelber Himmel zugleich [..] eine Ding gewordene Angst". [16] Dem Künstler geht es also anders gesagt um die Präsentation von Imagination, also einer Vorstellung. Dem Betrachter muss etwas anschaulich werden. Es entstehe in seinem Bewusstsein ein Sinngebilde, das abh&au